Kochwut
ich ihr im Flur begegnet bin.« Sie seufzte. »Sie wissen ja, was hier los ist und wie eingespannt ich bin.«
»Ist Ihnen denn aufgefallen, dass sonst jemand für längere Zeit das Studio vor der zweiten Aufzeichnung verlassen hat?«
Grit Fischer sah den Kommissar mitleidig an.
»Glauben Sie wirklich, dass ich darauf achten könnte, wer wann mal kurz aus dem Studio geht? Also, entschuldigen Sie …«
Die Frau schüttelte verständnislos den Kopf.
»Sagen Sie, wie funktioniert ›Voilà Lebouton!‹ eigentlich? Ich meine, wie sind die Spielregeln der Show? Ich schau nicht so viel Fernsehen«, wechselte Georg Angermüller das Thema.
»Na, das könnte ich dir auch erklären«, brummte Jansen lahm.
»Es gibt dreimal die Woche nachmittags die Sendung ›Helden am Herd‹. Da treten Laien gegeneinander an, kochen um die Wette, gegen die Zeit und werden von bekannten Profiköchen bewertet. Die Sieger dort sind dann die Kandidaten für ›Voilà Lebouton!‹ und dürfen bei uns mit Vorspeise, Hauptspeise und Dessert um den Hauptpreis kochen. Für jeden Gang gibt es ein Thema, immer passend zur Saison, heute zum Beispiel Spargel bei der Hauptspeise, und jeder Kandidat tritt mit seinem eigenen Rezept an.«
»Entschuldigung, aber Spargel im Februar? Das ist ja nicht gerade ein Saisongemüse jetzt.«
Grit Fischer hob die Augenbrauen.
»Was wir heute drehen, wird im Mai gesendet. Aber die Zuschauer zu Hause glauben, das ist live. Sollen sie ja auch.«
»Ach ja, das hab ich schon gehört.«
»Pierre als Gastgeber und seine beiden Kollegen zeigen erst einmal ihre Kreationen zum jeweiligen Thema, und dann vergeben sie die Punkte für die Kandidaten. Nach dem dritten Gang, also nach der dritten Sendung bekommt der mit den meisten Punkten die Prämie von 10.000 Euro und eine Urkunde.«
»Und das finden die Leute spannend?«, fragte Angermüller verständnislos. »Und außerdem, wenn das nicht live ist, dann kann doch schon lange vorher jemand ausplaudern, wer der Gewinner ist?«
Die Regieassistentin schüttelte entschieden den Kopf.
»Darum geht es doch gar nicht. Es geht um Show, um Gefühle, um Personality. Beliebt sind die Dramen, wenn etwas versalzen ist oder wenn sich Kandidaten in die Finger hacken. Das Publikum will Hobbyköche heulen sehen, weil das Soufflé zusammengefallen ist, und die Hobbyköche sehnen sich vor allem nach Prominenz. Manche denken, sie kommen groß raus durch den Auftritt in unserer Show. Und wenn’s mal richtig peinlich wird, findet der Zuschauer das doch erst recht toll.«
Grit Fischer war richtig in Fahrt gekommen. Es schien ihr Spaß zu machen, einem Laien wie Angermüller die Welt ihrer Fernsehshow erklären zu können.
»Und unsere Profiköche sind mittlerweile ja richtige Stars«, erläuterte sie nicht ohne Stolz. »Die will unser Publikum agieren sehen, wenn sie ihre Tricks verraten, Witze erzählen, herumalbern. Das Kochen und der Wettbewerb sind Nebensache. Die Zuschauer kennen inzwischen genau die Spezialitäten, die Macken, den Humor jedes einzelnen, und sie haben ihre Lieblinge. Es gibt halt welche, die kommen einfach unheimlich gut rüber.«
»Auch Maja Graflinger?«
Ein kurzer Blick aus Grit Fischers Augen streifte Angermüller.
»Sagen wir mal so: Maja polarisiert. Ich denke, viele Männer mögen sie. Sie sieht ja ganz gut aus, kann sehr charmant sein, aber bei den Frauen ist sie nicht so sehr beliebt. Die sehen sie halt immer auch als Konkurrentin. Außerdem ist Maja sehr kritisch. Aber so eine, na sagen wir, umstrittene Figur braucht es halt auch.«
Angermüller erinnerte sich. Auch er hatte schon in der Zeitung über die Graflinger gelesen. Sie stammte aus München und führte ein Restaurant in Hamburg, das weniger durch seine Küche als durch die dort verkehrende Prominenz von sich reden machte. Die Köchin war schließlich selbst ein Fernsehstar geworden, weil sie offensichtlich die richtigen Leute kannte. Nicht ohne Bosheit hatte der Autor des Artikels den Verlauf dieser Karriere geschildert. Erst kleine Fernsehrollen, in denen die gut aussehende Maja Graflinger als Köchin auftrat, denen wiederum Einladungen in Talkshows folgten, weil die charmante Köchin eine Köchin gespielt hatte. Dieser Bekanntheitsgrad war dann eine gute Grundlage, ein Kochbuch zu schreiben, vor allem zu vermarkten – und das neue Kochbuch wiederum ein guter Grund, in eine Talkshow eingeladen zu werden und so weiter und so weiter. Zum Schluss meinte der Autor noch, dass, eine gute Köchin
Weitere Kostenlose Bücher