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Kochwut

Titel: Kochwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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hinauslief. Seinen Einwurf, dass sie dazu gar keine Zeit hätten, hatte sein Kollege einfach überhört und in Rekordzeit die Strecke zu einer Filiale der von ihm bevorzugten Hamburger-Kette zurückgelegt.
    Er selbst hatte im Hofrestaurant im Torhaus auf Güldenbrook das letzte Stück Münstertaler Fleischtorte erworben. Die Küche dort war, gemäß der Herkunft ihres Chefs, elsässisch ausgerichtet und bot auch immer einige Gerichte aus der Fernsehshow an. Das Restaurant war in den Wintermonaten nur tagsüber an den Produktionswochenenden geöffnet und für geschlossene Gesellschaften zu mieten. Die gestresste Bedienung hatte ihm berichtet, dass sie von den wartenden Zuschauern, die wegen der Verzögerung der Aufzeichnung auf Kosten der Produktion dort speisen konnten, völlig überrannt worden waren.
    »Sonst essen die Leute immer nur eine Kleinigkeit, bisschen Flammkuchen, Bretzeln oder eine Suppe. Aber heute haben die die Karte rauf und runter bestellt. War eben umsonst.«
    Da es schon spät war und sie zur Teamsitzung in Lübeck erwartet wurden, nahm Angermüller seinen Imbiss während der Fahrt zu sich, was überhaupt nicht seinen sonstigen, gepflegten Essgewohnheiten entsprach. Jansens halsbrecherische Fahrweise minderte den Genuss noch zusätzlich. Doch die Fleischtorte nach Original Elsässer Rezept schmeckte nichtsdestotrotz wunderbar würzig, der buttrige Blätterteig hatte nichts mit der üblichen, pappigen Industrieware zu tun, und der Geschmack der Füllung war von außergewöhnlicher Harmonie.
    Während er über die Begebenheiten dieses Tages sinnierte, musste er plötzlich an Carola denken, die Lebouton für den Urheber der Briefe hielt, durch die sie sich bedroht fühlte. Nachdem er den berühmten Starkoch nun selbst kennengelernt hatte, kam ihm ihr Verdacht noch unwahrscheinlicher vor. Der Mann hatte ein mehr als gesundes Selbstbewusstsein, sodass er sich mit Sicherheit nicht durch solche Nichtigkeiten wie Carolas Kritiken in irgendwelchen Lokalblättchen verunsichern lassen würde. Außerdem glaubte er ihm, dass er noch nie von ihr gehört hatte, denn in dem Maß, in dem Lebouton von sich überzeugt war, überschätzte Carola die Wirkung ihrer Nebentätigkeit als Restaurantkritikerin. Heimlich und mit großem Zeitaufwand Carolas Konterfei auf ausgerissene Kochrezepte zu zeichnen und diese dann anonym zu verschicken, das passte so gar nicht zu Leboutons überaus starkem Ego. Einen tätlichen Angriff im Affekt traute Angermüller ihm da schon eher zu.

     
    Dank Jansens Schnelligkeit im Fahren und Essen kamen sie tatsächlich pünktlich in der Possehlstraße zur Kommissionsbesprechung an. Wie üblich fegten heftige Böen rund um das Behördenhochhaus, als sie durch die Dunkelheit auf den Eingang zustrebten. Die Kälte fühlte sich noch um ein paar Grad grimmiger an. Angermüller warf einen Blick nach oben, wo aus den Fenstern heller Lichtschein drang, und freute sich ausnahmsweise auf die oft überheizten Räume. Seit er in Lübeck lebte, verbrachte er einen Großteil seines Lebens dort im siebten Stock, wo das Kommissariat 1 ›Mordkommission und Kapitaldelikte‹ angesiedelt war. Angefangen hatte es mit einem Praktikum in der Bezirkskriminalinspektion. Die Arbeit gefiel ihm, er fand sie abwechslungsreicher und klarer als alles, was er sonst mit seinem Jurastudium hätte anfangen können. Und Lübeck gefiel ihm auch, vor allem, nachdem er Astrid kennengelernt hatte. So fügten sich die Dinge: Er bewarb sich bei der Polizeidirektion Schleswig-Holstein Süd, wurde eingestellt, heiratete Astrid und wurde als Oberfranke hier im Norden heimisch – mehr oder weniger.
    Was er vermisste, war zum Beispiel die fränkische Küche und das Bier, die liebliche Mittelgebirgslandschaft um Coburg herum, ebenso die bedächtige, gemächliche Art seiner Landsleute. Andererseits liebte er die Weite des Nordens und die Offenheit seiner Menschen, die viel weniger reserviert waren, als man ihnen gemeinhin nachsagte. Wahrscheinlich würde er immer zwischen seiner alten und neuen Heimat hin und hergerissen bleiben. Das war ihm in den Tagen, die er im Herbst vorigen Jahres im Coburger Land verbracht hatte, deutlich geworden. Im Grunde aber war diese bleibende Sehnsucht nach dem Ort, an dem man gerade nicht war, ein Gefühl, das er nicht missen wollte. Es war wie ein ewig währendes Versprechen, dass irgendwo in der Welt immer noch der ideale Ort existierte, den man eines Tages tatsächlich erreichen würde.
    Und noch eine

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