Kochwut
auch die Kontrolle zu verlieren …
Lebouton winkte ihn heran, und Angermüller durfte einen Blick in den großen Schmortopf werfen, in dem der Tafelspitz in seinem Weinsud lag, zusammen mit Zwiebeln, Möhren, Tomaten und Gewürzen, und im Ofen bei milder Temperatur ganz langsam zu höchster Vollendung garte. Es roch schon jetzt zum Umfallen gut.
»Wunderbar, ich glaube, ihr habt alles im Griff. Am besten, ihr macht jetzt noch eine kleine Pause – halbe Stunde, klar Thorsten? –, und dann seid ihr fit für heute Abend. Bis später, Jungs«, verabschiedete sich der Chef von den Lehrlingen.
»Sagen Sie, macht Ihnen Ihre Kochshow eigentlich noch Spaß?«, fragte Angermüller den Meisterkoch, als sie die Küche verlassen hatten.
»Sehen Sie sich öfter Kochshows an?«
»Erst seitdem ich hier ermittle, habe ich mir die Show mal angeschaut«, gab Angermüller zu.
»Sehen Sie. Leute, die wirklich selbst kochen, interessiert das doch gar nicht. Und es wird ja auch in den seltensten Fällen richtig gekocht, das ist doch meist alles Budenzauber. Diese jungen Berserker am Kochtopf sind nur noch auf billige Effekte aus!«
»Warum machen Sie es dann noch?«
»Wissen Sie, ich bin da irgendwie reingeraten. Ich war einer der Ersten, und am Anfang hat mir das auch noch Spaß gemacht, aber seit auf allen Kanälen gekocht wird, hat sich viel verändert. Man ist nur noch Teil einer riesigen Marketingmaschine für Produkte, die zum Teil nicht das Geringste mit anspruchsvoller Sterneküche zu tun haben. Es geht auch nicht mehr um Tipps und Kniffe, mit denen man als Profi den Laien in der Küche wirklich helfen kann, es zählt nur noch der Unterhaltungswert.«
»Dann hören Sie doch auf.«
Lebouton lächelte schwach.
»Wenn das so einfach wäre. Der Zauber, den ich rief …«, er seufzte. »Da gibt es langjährige Verträge, finanzielle Abhängigkeiten, so schnell geht das nicht. Schließlich hängen da auch eine Menge Arbeitsplätze dran, und einen Nachfolger zu finden, der das Projekt nicht gleich gegen die Wand fährt, ist nicht so leicht. Doch ich arbeite dran und habe auch schon eine Idee, aber das braucht noch etwas Zeit«, er warf einen Blick auf seine Uhr. »Jetzt muss ich aber wirklich zurück ins Studio. Tom Balzer übt wahrscheinlich schon das Filettieren von Seezungen mit der Machete, und da will ich nicht den Kürzeren ziehen.«
Auf Leboutons Gesicht erschien ein spöttisches Lächeln, und er streckte die Hand aus.
»War nett, mit Ihnen zu reden. Wir werden uns ja wahrscheinlich noch sehen, ob ich will oder nicht. Bis dann.«
Erstaunt nahm Angermüller den Händedruck Leboutons entgegen, der gleich darauf schnellen Schrittes das Restaurant verließ.
»Na, war’s schön mit dem großen Meister in der Küche?«, stichelte Jansen, der Kochen für eine absolut überflüssige Beschäftigung hielt, solange es Pizzadienste, Hamburgerläden und seine Mikrowelle zu Hause gab. Sein Kollege sandte ihm nur einen mitleidigen Blick und nahm wieder am Tisch Platz.
»Wollen wir was essen?«
»Hier?«, fragte Jansen, als ob dies eine völlig abwegige Vorstellung wäre.
»Warum nicht? Es ist ein Restaurant, soweit ich weiß.«
»Eben.«
Angermüller griff nach der Speisekarte, welche die Bedienung gleich zu Anfang auf den Tisch gelegt hatte.
»Wie wär’s mit einer schönen Portion Schnecken auf elsässische Art?«
»Wenn schon, dann lieber gegrillte Ameisen, du Dröhnbüdel.«
Schließlich entschied sich Jansen für einen Elsässer Zeewelkueche mit Salat, der ihm unter den angebotenen Speisen einigermaßen unverdächtig vorkam, allerdings erst nachdem ihm die Bedienung noch einmal versichert hatte, dass der warme Zwiebelkuchen mit Speck und Sahne ganz wunderbar schmecke. Angermüller bestellte eine Portion original elsässischen Baeckeofe. Der kräftige Eintopf aus dreierlei Fleisch, Kartoffeln und Gewürzen, serviert mit grünem Salat, duftete betörend und mundete hervorragend. Beim Essen gab er Jansen eine kurze Zusammenfassung von Steffens Bericht, und sie sprachen darüber, dass eine engere Eingrenzung des Tatzeitpunktes ihnen in dieser Phase der Ermittlung wesentlich besser weitergeholfen hätte. Sie hatten ihr Mahl gerade beendet, und Jansen hatte eingestanden, dass es so schlecht gar nicht gewesen war, da tauchten ihre Kollegen auf.
»Hier seid ihr also! Das hätten wir uns ja denken können.«
Norbert Teschner und Anja-Lena Kruse nahmen bei ihnen Platz.
»Wer mag einen Kaffee? Ich geb einen aus«,
Weitere Kostenlose Bücher