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Kochwut

Titel: Kochwut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gmeiner-Verlag
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eine Oase der Ruhe hier im Haus. Die vielen Leute auf dem Hof, der Betrieb im Laden, die Hektik im Studio und die schrecklichen Ereignisse der letzten beiden Tage – nichts davon zu spüren hier drin.
    Kurz nach 14 Uhr hatte Frau Jacobs sie im Laden abgelöst, und Hilde freute sich jetzt auf eine Pause bei einer schönen Tasse Tee und einem Stück Goldkuchen – aber nicht mehr als einem Stück. Zu ihrem Leidwesen hatte sie in letzter Zeit ein wenig zugenommen. Seit Pierre des Öfteren bei ihnen zu Gast war, kochte sie natürlich nicht die einfachsten Speisen und servierte auch stets noch einen Nachtisch. Obwohl Pierre immer mit gesundem Appetit größere Portionen als sie selbst verzehrte, schien sich das nicht merkbar auf sein Gewicht auszuwirken. Beneidenswert!
    Hilde trank ihren Tee und genoss den Kuchen, während sie in der Rezeptesammlung ihrer Mutter stöberte. Auch auf das Rezept für den Goldkuchen, den sie seit ihrer Kindheit nicht mehr gegessen hatte, war sie hier gestoßen. Genauso gab es auch einen Silberkuchen. Als Kind hatte sie allein der märchenhaften Namen wegen diese Gebäcke geliebt. Der Unterschied war, dass im Goldkuchen nur die Dotter und im Silberkuchen nur das Eiweiß verwendet wurden. Zu ihrem Geburtstag hatte die Mutter manchmal beide Teige in einer Form übereinander gebacken, mit einem dicken Schokoladenguss versehen, mit silbernen Liebesperlen verziert und eine Krone aus Goldpapier daraufgesetzt. Mit dem Gold- und Silberkuchen war Hilde sich einen Tag lang wie eine echte Prinzessin vorgekommen.
    Die kalte Jahreszeit war die passende Saison für kräftige Fleischgerichte und herzhafte Eintöpfe, und davon gab es in der schleswig-holsteinischen Küche, wie ihre Mutter sie zu kochen pflegte, eine große Auswahl. Lübecker National aus Kassler mit Steckrüben gehörte dazu, ebenso wie die Linsensuppe mit Backpflaumen, die Weißkohl-Mett-Torte oder ein würziger Schinkenbraten. Und heute sollte es Hinrichs Leibgericht geben, Grünkohl mit Kassler, Kohlwurst und süßen Kartoffeln. Zum Nachtisch wollte sie ihren Obstsalat zubereiten, mit Rumrosinen und Walnüssen. Das war zwar nichts Besonderes, aber schmeckte köstlich und erfrischend und war nicht so wirrsam, wie Hinrich gesagt hätte, wie so viele der traditionellen, üppigen Nachspeisen, mit vielen Eiern, Sahne oder Schwarzbrot.
    Es war nicht leicht, einen berühmten Meisterkoch zum Freund zu haben und vor seinen strengen Augen bestehen zu wollen. Obwohl Pierre zumindest immer behauptete, dass ihre Gerichte allesamt wunderbar schmeckten.
    Sie holte das Netz mit dem Grünkohl aus der Speisekammer und begann, die Stiele zu entfernen und die schmutzigen Blätter zu waschen. Das Gemüse hatte bestimmt inzwischen den Frost abbekommen, der es erst richtig schmackhaft machte. Das Wasser kam eiskalt aus der Leitung, sodass Hildes Hände davon schmerzten. Sie war froh, als endlich kein Sand mehr im Spülbecken zurückblieb. Wenn Hinrich seinen Mittagsschlaf beendet hat, werde ich ihm von Pierre und mir erzählen, dachte sie, während sie sich die Hände abtrocknete und sie warm zu reiben versuchte. Es ist ja wirklich eine ganz alltägliche Sache. Nur dass sie noch nie mit ihrem Vater über Themen wie Männer, Liebe, Beziehungen geredet hatte. Wenn sie als junges Mädchen frisch verliebt war oder Liebeskummer hatte, dann war höchstens die Mutter manchmal zu ihrer Vertrauten geworden. Aber bloß nicht jetzt darüber nachdenken, sondern spontan drauflosreden.
    Der Kater war bereits aufgewacht, stand auf Hinrichs Knien, streckte sich, rundete seinen Katzenbuckel und gähnte ausgiebig. Dann sprang er ohne einen Laut herunter, kam zu ihr herübergepirscht und rieb sich an ihren Beinen. Auch Hinrich regte sich jetzt und blinzelte in die Helligkeit.
    »Na Vadder, gut geschlafen?«
    »Ach, Hilde, bist du schon wieder da? Ich hab man nur ein kurzes Nickerchen gemacht.«
    »Schön. Möchtest du vielleicht eine Tasse Tee und ein Stück Kuchen?«
    »Da sag ich nicht nein.«
    Langsam, aber immer noch kraftvoll stemmte sich der alte Mann aus dem Lehnstuhl hoch und griff nach seinem Stock.
    »Das is ja wohl ein schöner Tag heute!«
    »Ja, Vadder. Wollen wir nachher noch einen kleinen Spaziergang machen, damit du ordentlich Hunger kriegst?«
    »Keine Sorge, auf Groenkohl mit soeten Kantüffeln hab ich immer Hunger. Aber spazieren gehen können wir trotzdem.«
    Hilde nahm die handgetöpferte Kanne vom Stövchen, goss ihrem Vater den Tee ein und schnitt ihm ein

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