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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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Krankenhäuser.“
    „Und deswegen...?! Mensch, inzwischen hättest du es hinter dir. Und könntest wieder laufen.“
    „Aber ich kann doch laufen. Und das Hinken... wahrscheinlich habe ich mir das nur angewöhnt wegen der Schmerzen in der ersten Zeit. Ich habe jetzt angefangen, den Fuß mehr einzusetzen. Das wird schon wieder, guck mal!“
    Sie drehte sich um und ging durch den Flur zur Haustür, etwas zittrig und gequält, aber ohne zu hinken. An der Tür gaben sie sich noch einmal die Hand. Lothar Sahm schaute ihr nicht hinterher, wie sie angestrengt zum Gartentürchen schritt. Er schloss die Haustür, kaum hatte sie ihm den Rücken zugedreht. Ellen, die Unverwüstliche – hatte sich lenken lassen von Angst! Und was war es wohl, das ihn davon abhielt, zu kündigen und ein neues Leben anzufangen?
     
    „Angst erzeugt Enge!“ schrieb Lothar an diesem Tag auf ein Stück Karton, stellte es Siegmar Sarburger gegenüber auf der anderen Seite seines Computerbildschirms auf und gab sich damit selbst die Erlaubnis, allerlei lästige Handgriffe und Routinen einzustellen, die für ihn aller Gewohnheit und damit aller Erstarrung Anfang waren: Betten machen, aufräumen, Geschirr spülen, Wäsche waschen, putzen, Rasen mähen – eine Weile derlei weniger notwendige Alltagsarbeiten verschleppt, da gerieten ihm auch geregelte Nahrungsaufnahme und sogar Nachtschlaf aus dem Tritt. Manchmal aß er nun den ganzen Tag über nur ein paar Kartoffelchips, runtergespült mit literweise Cola, und verschlang abends in einem Anfall von Heißhunger gleich zwei Tiefkühlpizzas hintereinander. Er war dann so vollgestopft und im Colarausch, dass er um Mitternacht noch nicht ins Bett gehen konnte, also ließ er sich auf den nächstbesten Spätfilm ein, wurde auf halber Strecke vom Schlaf eingeholt, fand sich dann im Morgengrauen bei laufendem Fernseher auf der Couch so verrenkt liegend und ausgekühlt vor, vor allem, wenn er vergessen hatte, das Fenster zu schließen, dass er sich kaum bewegen noch klar denken konnte, ging aber schnurstracks ohne Umwege über Bad oder Kaffeemaschine hoch in sein Arbeitszimmer und startete den Computer.
    Während er es, staunend über sich selbst, fertigbrachte, aus den meisten seiner geregelten Abläufe auszusteigen oder sie wenigstens hinauszuzögern, wurde ihm das Romanschreiben zur Gewohnheit. Täglich mindestens eine Seite; bei einer Dienstpflicht-Seite 2 waren schließlich auch keine Ausflüchte möglich. Eine erste Zeit galt es das durchzuhalten, dann wurde es zum Selbstzweck, zum Bedürfnis, zur Notwendigkeit, zur Pflicht und zur Sucht. Kam ihm ein Tag dazwischen, an dem er diese eine Romanseite einfach nicht schaffte, aus welchen Gründen auch immer, dann quälte er sich mit Selbstvorwürfen, das schlechte Gewissen trieb ihn, er war irritiert und erfüllt von dem Gefühl, irgendwas sei falsch: Symptome einer Gewohnheit, die nach korrekter Umsetzung drängte – auf einmal erkannte er in seiner Anfälligkeit für Routinen eine Gottesgabe. Er war in der Lage, sich zu programmieren! Er musste sich von Gewohnheiten nicht das Leben einengen lassen, er konnte sie gezielt einsetzen, um sich voranzubringen. Für eine Weile hielt er diese Erkenntnis für den Schlüssel zur Lösung überhaupt aller Probleme.
    Wenn Lothar Sahm in seiner rundschaufreien Zeit gerade nicht am Roman schrieb in diesen Wochen, unternahm er ausgedehnte Abhärtungstouren durch das, was die Wallfelder Wälder an Wildnis hergaben: bis Ende Oktober kurzärmlig und in abgeschnittenen Bundeswehrhosen querfeldein über Wurzeln, Bäche, durchs kratzende Geäst der Fichten, bis Arme, Beine und Gesicht mit roten Striemen überzogen waren. Zuweilen verspürte er das Bedürfnis, sich aus Zweigen und Laub einen Unterschlupf zu bauen und darin wenigstens mal eine Nacht in unmittelbarer Natur zu verbringen. Ein Bild trat ihm vor Augen, eine kleine Szene, in der er die Hauptrolle spielte; es gab ihm Kraft, diese Szene immer wieder vor sich ablaufen zu lassen, meist entstand sie von selbst in seinen Kopf. Er sah sich darin durch unberührte Wildnis streifen und an einem breiten, reißenden Fluss ankommen. Keine Brücke weit und breit, aber er musste hinüber. Zwar wusste er nicht, warum – was sollte da drüben anders sein als auf seiner Seite? Aber die Vision, das Wasser überqueren zu müssen, egal wie gefährlich das sein mochte, ließ ihn nicht los. Er konnte weder vor noch zurück.
    Wie der entscheidende Impuls zur Überwindung seiner inneren

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