Köhler, Manfred
zugeeilt und packte ihn mit beiden Flügeln, nicht gar, dass sie ihm einen Kuss ins Gesicht pickte. Er war gerührt, zunächst.
Dann musste er sehr viel Geduld aufbringen. Dass er ihre Lieblingsidee aufgegriffen hatte – sie wisse noch ganz genau, wie sie ihm bei der Hochzeitsmesse oder kurz danach davon erzählt habe –, versetzte sie in einen Überschwang, wie er ihr körperlich nicht zuzutrauen gewesen wäre. Sie fegte durch ihren Laden, suchte Kataloge und Notizzettel und Geschäftsunterlagen und Fotos zusammen und schließlich sogar noch eine aufwändig gemachte Hochzeitszeitung, die ihr vor Jahren mal bei einer Messe in einer anderen Stadt in die Hände gefallen war. Um die Hochzeitszeitung ging es ihr indes gar nicht vorrangig; wichtiger war ihr zunächst ihre neue, ganz andere, noch viel tollere Idee. Was halte er denn von einem Katalog mit Kleidern, die es alle bei ihr zu anzuprobieren gebe, einem ganz individuellen Fotobüchlein, das mit kleinen Geschichten über Bräute, die bei ihr gekauft hatten, unterhaltsam aufgemacht sei, vielleicht noch ein paar erfundene Hochzeitsgeschichten dazu, was zum Lachen, vielleicht auch was Trauriges, ein nettes Bilderbuch zum Blättern und Bestaunen und Lesen und Schmunzeln und Träumen und so weiter, das Ganze kostenlos verteilt bei allen möglichen Gelegenheiten.
Die Idee gefiel ihm. Aber wie sei denn das zu finanzieren?
„Kein Problem, ich habe schon mit verschiedenen Herstellern verhandelt, die übernehmen einen Großteil der Kosten, und den Rest trage ich. Das kommt mich immer noch billiger als Werbung in der Rundschau und im Radio, die wird dann natürlich eingestellt.“
Er konnte es kaum fassen: Sie würde ihn dafür bezahlen, dass er kleine Hochzeitsgeschichten schrieb. Ob er sich das zutraute? Na klar doch, er hatte da schon Ideen, und Leute zu interviewen und zu porträtieren, das war doch jahrelang sein Job gewesen!
Mit einem herzlichen Händedruck wurden die beiden zu Geschäftspartnern. Sie gab ihm alle Unterlagen mit, vor allem die Hochzeitszeitung solle er sich doch mal zu Gemüte führen, und sie werde nun einstweilen eine Liste mit Kundinnen machen, die ihm Geschichten erzählen könnten oder ihn als Hochzeitszeitungsredakteur beauftragen. Gewerbe übrigens müsse er keines anmelden, man könne den ganzen Behördenkram über sie laufen lassen. Auch wenn er in diesem Moment nicht zutiefst dankbar und glühend vor Begeisterung gewesen wäre, es wäre ihm nie eingefallen, damit womöglich einen Fehler zu machen. Er sah ihr Angebot als eine Erleichterung, er verabscheute Formulare. Lothar Sahm war so beseligt, dass er seine wichtigste Frage fast vergessen hätte. Draußen auf der Straße fiel sie ihm ein, er kehrte noch einmal um.
„Ach übrigens, wie geht es denn eigentlich der Sarah?“
Rosa Guttlers Lächeln verlor sofort an Glanz und verlosch.
„Weiß ich nicht. Die hat nicht ein Wort von sich hören lassen, seit sie mich im Stich gelassen hat, geschweige denn, sich entschuldigt.“
Lothar Sahm freute sich über diese Information. Jetzt hatte er einen Grund, sich bei Sarah zu melden. Er würde sie überreden, ihrer Tante zu schreiben und sich mit ihr zu versöhnen. Als kleines Dankeschön für die Beihilfe zum Neuanfang.
Mit Feuereifer stürzte sich Lothar Sahm auf seine neue Aufgabe. Schon am nächsten Tag brachte er Rosa Guttler eine von ihm erfundene Hochzeitsgeschichte ins Geschäft, sie las und lobte. Potentielle Ansprechpartnerinnen für Lothar Sahm hatte sie einstweilen erst zwei. Sie musste zugeben, dass sie in ihrer Begeisterung nicht bedacht hatte, dass sie ihre Kundinnen bisher gar nicht nach ihren privaten Daten gefragt hatte. Und was nun die beiden vorhandenen Adressen betraf, da müsse sie auch erst einmal anrufen und vorfühlen – er wisse schon, Datenschutz, uhuhuh. Eine der beiden Frauen habe viel Erschütterndes zu erzählen, das arme Kind, bei der habe sie sich ohnehin schon lange mal wieder melden wollen. Einstweilen gab Rosa Guttler ihm die Samstagsausgabe der Wallfelder Rundschau, er solle doch mal die Hochzeits- und Verlobungsanzeigen durchgehen, die Namen im Telefonbuch suchen und auf gut Glück anrufen.
Das aber fand Lothar Sahm zu aufdringlich. Er fasste sein Angebot lieber auf einem Flugblatt zusammen.
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