Köhler, Manfred
Fotoaufnahmen während des ganzen Tages, einen großen Artikel als Zusammenfassung der Feier und kleine Artikel über Randereignisse nach Ihrer Wahl. Fotos und Texte werden gestaltet wie eine Tageszeitung, die Ihnen spätestens eine Woche nach der Hochzeit in einer Auflage Ihrer Wahl geliefert wird. Sie schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Sie sparen sich den Fotografen, und Sie bieten Ihren Gästen statt einer gewöhnlichen Danksagungskarte einen einzigartigen und bunten Katalog an Erinnerungen.
Als Lothar Sahm kreuz und quer durch Wallfeld radelte, um seine Flugblätter in die Briefkästen der Hochzeitspaare zu stecken, fiel ihm zweierlei auf:
Eigentlich war er bei Hochzeitpaaren, die ihre Vermählung in der Rundschau bekanntgaben, bereits zu spät dran. Die Direktansprache von Kundinnen, die gerade Brautkleider kauften, war der bessere Weg.
Zweitens: Über das Werbetext-Geschleime dieses Flugblattes hätte der Redakteur Lothar Sahm sich früher nach Strich und Faden ausgelassen. Jetzt aber, da er die Seiten gewechselt hatte, fiel es ihm als Einmannbetrieb sogar ein, „Wir gestalten Ihnen...“ zu schreiben – und sich auch noch zu erhoffen, damit den Eindruck eines professionellen Unternehmens zu machen.
Das Ergebnis dieser ersten PR-Tour fiel bescheiden aus: Auf seine 13 Flugblätter hin meldeten sich innerhalb der folgenden Tage drei Verlobungspaare bei ihm. Das eine beschwerte sich, dass er es gewagt hatte, ihnen seinen Wisch in den Briefkasten zu stecken, obwohl doch der Aufkleber „Keine Werbung“ nicht zu übersehen sein dürfte. Das zweite Paar machte einen Rückzieher, als er seinen Preis genannt hatte. Das dritte Paar gab ihm einen verbindlichen Auftrag, die Hochzeit war gleich am nächsten Wochenende.
In einem Moment stiller Freude zwischen Kaffeetrinken und Abendessen dieser Hochzeitsfeier dachte sich Lothar Sahm: Was bin ich für ein Glückspilz! Ich werde bezahlt dafür, dass ich mit anderen feiere, gut esse und trinke und dann darüber schreibe, was mir doch auch eher Freude als Arbeit ist.
Gerade diese erste Feier aber, die ihn so freundlich in seinem neuen Leben willkommen hieß, versetzte ihm zugleich die erste große Ernüchterung seiner Karriere als Hochzeitsreporter. Er investierte einen Zeitaufwand von vier Tagen und Materialkosten von knapp 200 Euro, lieferte pünktlich, berechnete die vereinbarten 500 Euro; aber die Zahlung blieb aus. Nach vier Wochen mahnte er, nach weiteren zwei Wochen das zweite Mal. Nach der dritten Mahnung endlich bequemten sich seine Kunden, ihm schriftlich mitzuteilen, dass sie mit der Qualität seines Machwerkes nicht einverstanden seien. Natürlich seien ihm Kosten entstanden, dafür seien sie bereit aufzukommen, beiliegend ein Scheck über 100 Euro. Daraufhin rief Lothar Sahm bei seinen zahlungsunwilligen Kunden an und ließ sich in eine fast einstündige Diskussion mit dem Ehemann verwickeln, der darauf beharrte, als Gegenleistung für seinen Zeitaufwand habe Lothar Sahm doch als Außenstehender am äußerst reichhaltigen Hochzeitsbankett teilnehmen dürfen, damit sei man quitt.
Rosa Guttler riet ihm ab, gerichtliche Schritte einzuleiten, das sei den Aufwand nicht wert. Im Übrigen hatte sie noch immer keine Adressen für ihn, und das Katalog-Projekt verzögere sich leider, die Finanzierung sei nun doch wieder unklar. Noch herrschte zwar keine akute Finanznot im Hause Sahm, aber es wurde ihm immer mulmiger. Offenbar war er mit seiner tollen Geschäftsidee auf dem Holzweg. Und sein Roman steckte noch immer auf Seite 712 in unentwirrbaren Verwicklungen fest.
Kapitel 14: Konni
Eine Woche später und damit über zwei Monate nach dem ersten Wiedersehen mit Rosa Guttler bestellte sie ihn zu einer Besprechung zu sich. Als er in ihr Geschäft kam, saß sie da kaffeetrinkend und schwatzend mit einer jungen Frau, die er von irgendwoher kannte: schlank, schwarze, halblange Haare, hübsches Gesicht mit vielen Lachfältchen.
„Hallo, Herr Sahm, das Fräulein Ritter muss ich Ihnen ja nicht vorstellen“, begrüßte ihn Rosa Guttler.
„So wie er mich anschaut, wahrscheinlich schon“, sagte die junge Frau. Ihre Stimme, ihre Selbstsicherheit, ihr Lächeln – Lothar Sahm war hingerissen. Am liebsten hätte er ihre Hand gar nicht mehr losgelassen. Zugleich war er ernüchtert: Offenbar war das eine Kundin des Hauses Braut und Bräutigam und damit im Begriff zu heiraten.
„Ich kenne Sie schon noch, ich bin nur am Überlegen, woher.“
Seine Not mit
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