Köhler, Manfred
Schlumpf-Häusern, einer plätschernden Holzmühle und Märchenfiguren arrangiert hatte. Sarah wäre hingerissen gewesen. Erste Krokusse reckten ihre Blütenköpfe durch die niedergedrückten Halme des Rasens. Ellen wischte ihre erdverschmierten Hände an einem Lappen ab.
„Hi, Partner!“
Auch schmutzige Finger konnten sie nicht von einem kernigen Händedruck abhalten.
„Dann kann es ja bald wieder losgehen“, sagte er mit einer Kopfbewegung hin zu der kleinen Mühle, die gerade spuckend in Gang kam.
„Ja, für nächste Woche habe ich schon die ersten Anmeldungen. Komm rein!“
In Ellens Campinganhänger herrschte Ordnung. Auf engstem Raum hatte alles seinen Platz, vor allem ihre Fotoausrüstung. Er konnte keine Veränderung im Vergleich zu seinem Besuch im letzten August erkennen – außer dass sie auf ihrem Arbeits- und Esstisch in der Mitte des Raumes nun Kartenmaterial und Reiseführer vorbereitet hatte, zwei Wurstbrötchen und Orangensaft.
„So läuft alles ab“, verkündete sie beim Hinsetzen, griff mit ihren Schmutzfingern nach einem Brötchen und deutete zu seiner grenzenlosen Freude auf die Stadt Seattle. „Wir starten am 2. Juni um 8.45 Uhr in Frankfurt, Zwischenlandung in Chicago, Ankunft nach Ortszeit um 19.20 Uhr in Seattle. Neun Stunden Zeitunterschied, das wird ein sehr langer Tag. Ein Hotelzimmer für zwei ist schon reserviert, und am nächsten Morgen geht’s hinauf nach Vancouver. Eine Traumstadt ist das.“
Am nächsten Morgen schon, dachte er enttäuscht. Und fragte:
„Seattle interessiert dich wohl gar nicht?“
„Grundsätzlich schon, hat auch eine echt tolle City, aber ist nicht mein Thema. Wir haben vor dem Rückflug einen Tag dort, wenn alles glatt geht, dann kann ich immer noch ein bisschen auf Vorrat für mögliche andere Projekte fotografieren.“
Das gab ihm wieder Auftrieb. Das Schönste der Reise kam also zum Schluss. Interessiert folgte er Ellens braunerdigem Finger von Vancouver aus über die Highways von British Columbia hoch nach Whitehorse in Yukon. Vom Alaska Highway hatte er schon gehört. Diese legendenreiche Pionierstraße einen großen Teil ihrer Länge zu fahren, war für ihn von höchstem Reiz. Je mehr er Ellen mit vollem Mund erzählen und von der Landschaft und den vielen Bären und Elchen dort schwärmen hörte und nebenbei in den Reiseführern blätterte und Bilder betrachtete, desto mehr freute er sich auf die Fahrt: alte Forts und Goldgräberstädte, Indianerdörfer, endlose Wälder, leuchtend kobaltblaue Seen, Gletscher und Wasserfälle – und ein Abstecher ans Meer und hinüber in den südlichsten Zipfel des Pfannenstiels von Alaska. Schon den Namen dieses größten US-Bundesstaates nur zu hören, war für ihn mit intensiven Gefühlen verbunden.
„Also, Flug, Automiete, Übernachtungen, Eintritte und Essen kosten jeden von uns so um die 2.500 Euro, knapp kalkuliert. Hast du überhaupt schon Urlaub beantragt?“
Daran hatte er nicht gedacht, immerhin nahm die Reise eben erst Gestalt an, aber er sah darin kein Problem. Gleich am Nachmittag wollte er bei der Czibull für den ganzen Juni frei nehmen.
So weit war alles geklärt. Er gab Ellen seine verbindliche Zusage, sie zu begleiten, sie aber durch seine Anwesenheit nicht bei der Arbeit zu beeinträchtigen, und sie verabredeten sich fürs Wochenende, um die Einzelheiten anzugehen. In Gedanken schon in den Urwäldern Kanadas auf dem Alaska Highway unterwegs, vor allem aber in Seattle mit dem Telefon in der Hand – „No, Sarah, I’m not calling from Germany, I’m here in Seattle.“ –, schlenderte er hinunter zum Parkplatz. Den Arbeiter in seinen dunkelgrünen Latzhosen, der am Zaun einen Busch zurückstutzte, hätte er gar nicht wahrgenommen, hätte der sich nicht so auffallend eilig weggedreht. Lothar Sahm guckte etwas aufmerksamer hin. Irgendwie kam ihm dieser Mensch bekannt vor, seine Körperhaltung, der Haaransatz unter der Baseballkappe... Aber das konnte doch nicht sein! Warum sollte der Redakteur Peter Schuster auf dem Wallfelder Campingplatz mit Aushilfsarbeiten beschäftigt sein?
„Peter?“, rief er, kam sich albern dabei vor – doch, in der Tat, er war es! Unwillig drehte sein Kollege sich in seine Richtung, gab sich zu erkennen, legte seine Heckenschere beiseite und kam über den Rasen zu ihm herüber.
„Das gibt es doch nicht! Was machst du denn da? Ist das dein neues Hobby?“
„Nein, ganz und gar nicht.“
Peter blieb ernst. Er wirkte wie bei einer Untat
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