Köhler, Manfred
ertappt.
„Was ist denn bloß los?“
„Komm mit!“
Peter Schuster führte seinen Kollegen auf einem schmalen Trampelpfad vom Hauptweg weg zum Geräteschuppen des Campingplatzes, der hinter Hecken versteckt war, um die Urlaubslaune der Gäste nicht mit seinem Anblick zu trüben. Davor stand eine Birkenholzbank.
„Komm, setze dich, ich erkläre dir das.“
Lothar Sahm war unwohl zumute. Es kam ihm vor, als solle er in etwas eingeweiht werden, das er besser nicht wusste.
„Du, eigentlich geht mich das ja nichts an, weißt du, ich war nur so überrascht...“
„Du kannst es ruhig wissen, vielleicht solltest du sogar, aber bitte nichts zu den Kollegen, ja?“
Lothar Sahm nickte ernst.
„Ich bin gar nicht im vorgezogenen Ruhestand. Crähenberger hat mich gefeuert. Er versteht es als besondere Gnade, dass ich als freier Mitarbeiter weitermachen darf, aber von sieben Cent Zeilengeld kann man natürlich nicht leben. Deshalb habe ich bei einer Zeitarbeitsfirma angefangen, und die teilt mich eben, weil ich kein Handwerk gelernt habe, zu solchen Hilfsarbeiten ein.“
„Aber warum denn gefeuert? Du hast dir doch nichts zuschulden kommen lassen! Oder?“
„Nichts Dienstliches, nein, aber...“
Peter nahm seine Baseballkappe vom Kopf und spielte damit herum.
„Ach, verdammt, ich hatte was mit seiner Frau. Nicht, dass du denkst, das sei meine Art, so hopplahopp...“
Lothar Sahm wäre nie darauf gekommen, das zu denken, aus zwei Gründen nicht: Peter Schuster war ein hochkorrekter Mensch. Auch vier Jahre nach dem Unfalltod seiner Frau trauerte er noch um sie, fast täglich besuchte er ihr Grab. Dass er sich zum Spaß in andere Betten begab, sich gar noch mit verheirateten Frauen einließ, war bei seinem Charakter ausgeschlossen. Andererseits, Grund zwei: Lothar Sahm hatte selbst einst die Erfahrung machen müssen, wie leicht man in eine solche Lage kommen konnte, auch wenn einem heimliche Liebschaften und der damit verbundene Ärger überhaupt nicht lagen.
„Ich will auch niemanden schlecht machen, aber das wäre nie passiert, wenn nicht Crähenberger zuvor sie betrogen hätte. Rate mal, mit wem!“
Lothar Sahm zuckte die Schultern.
„Warum hat der wohl so mir nichts dir nichts eine neue Kollegin in die Redaktion gesteckt? Eine aus dem Ruhrgebiet auch noch, wo er es doch immer als Gift für einen Lokalteil bezeichnet hatte, Redakteure von auswärts einzustellen. Du weißt ja noch, was das für ein Theater war mit Mandy. Die schreibt und fotografiert besser als wir beide zusammen, aber er wollte sie nicht, weil sie sächselt.“
„Was denn, der Crähenberger und die Czibull?!“
„Die haben sich bei irgend einem Kongress kennengelernt, die Czibull war für ihre damalige Zeitung dort. Seine Frau hat bald gemerkt, dass da was nicht stimmt, und weil ich sie von früher kenne, hat sie mir mal eines Abends ihr Herz ausgeschüttet. Und so kam eins zum anderen.“
„Und als Crähenberger dahinterkam...“
„... was nicht lange gedauert hat, war ich auch schon gefeuert.“
„Aber warum lässt du dir das gefallen, Mensch? Das ist doch kein Kündigungsgrund. Sprich mal mit jemand von der Gewerkschaft! Und außerdem kannst du ihn genauso auflaufen lassen!“
„Eben nicht, das ist ja alles viel komplizierter. In den Kreisen, in denen der verkehrt, da wird eine Affäre zwar geduldet, solange sie nicht öffentlich bekannt wird, aber wehe er würde sich scheiden lassen und mit jemand anders zusammenleben. Deshalb will er den Schein wahren.“
„Was aber nicht ginge, wenn die Frau Crähenberger mit dir...“
„Genau. Und sie könnte das auch nicht, bei ihm ist sie wohlversorgt, aber ohne ihn hätte sie gar nichts, da hat er schon vorgebaut. Wenn es hart auf hart käme, würde er zwar auch Federn lassen, aber schlimmer wäre es für sie. Und das will ich nicht.“
„Und die Czibull?“
„Die war, denke ich, vor allem auf den Job aus. Bei ihrer früheren Zeitung war sie eine von denen, die auf wichtigen Partys rumschnüffeln und den Klatsch dort auf neue Sensationen abhorchen. Eine feste Anstellung hätte sie dort nicht bekommen, weil natürlich bekannt war, wie eklig sie im Alltag sein kann. Jedenfalls, bei uns kann sie schalten und walten, verdient nach seinem Ermessen, und du kannst dir sicher sein, das ist nicht zu knapp.“
„Und sie spurtet durch unsere sonst so undurchdringliche Hierarchie. Das weißt du ja noch gar nicht, Mensch, überhaupt, jetzt wird mir alles klar...“
„Freilich weiß
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