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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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Neustart aus. Und wenn es in dieser Branche nicht klappen sollte, würden sie auch als Holzfäller arbeiten...
    Er meldete den Computer ab und verstaute ihn wieder.
    „Das war einfach so als Übungstext gedacht, damit ich nicht einroste.“
    Nach einer Weile sagte Ellen:
    „Stell dir das bloß nicht so einfach vor.“
    „Was?“
    „Na diesen Neuanfang. Das klingt so romantisch, aber man macht so viel durch, bis man sein Leben halbwegs wieder im Griff hat.“
    „Bei dir hat es doch auch recht gut geklappt.“
    „Das sieht jetzt vielleicht so aus. Aber was glaubst du, wie oft ich nachts geheult habe und mir gewünscht, es wäre nicht so gekommen. Und auch jetzt hab ich ständig meine Zweifel. Ich sage dir, die werden sich noch nach Texas zurücksehnen.“
    „Sehnst du dich etwa nach deinem Fotogeschäft zurück? Das glaube ich nicht!“
    Er geriet ins Schwärmen: „Du hast dir einen Traum verwirklicht, du hast etwas gewagt, was sich andere ein Leben lang nur wünschen. Du bist frei, völlig ungebunden, niemand kann dir was anordnen, du glaubst nicht, wie ich dich darum beneide! Um diese Freiheit, aber auch diesen Mut, alles liegen zu lassen und neu anzufangen. Ich weiß, wie schwer das fällt.“
    So sehr er sich begeisterte, so trübsinnig und grimmig war Ellen geworden.
    „Was immer du da zu wissen glaubst, nimm bloß nicht mich als Vorbild. Bei mir ist das ganz anders gelaufen. Von wegen mutige Entscheidung und freiwilliger Ausstieg! Ich erzähle dir jetzt was, aber bitte behalte es für dich. Ich hätte mein Geschäft niemals freiwillig aufgegeben. Mein damaliger Mann hat mich rausgedrängt. Wenn ich nicht auf alles verzichtet hätte, wäre ich ihn nie losgeworden, und wir hätten uns gegenseitig das Leben zur Hölle gemacht. So, jetzt weißt du es.“
    „Ist das der Mann, der das Geschäft heute noch hat?“
    „Ja, aber er hat alles völlig umgekrempelt.“
    „Der heißt doch Potmotzky oder so ähnlich.“
    „Potzel-Most, er hat den Doppelnamen von seiner Mutter. So hieß ich auch damals. Ich habe meinen Mädchennamen wieder angenommen.“
    Lothar Sahm wusste nicht, was er zu der Geschichte sagen sollte, also schwieg er und drückte nur kurz und fest Ellens Hand. Das war die erste Geste spontaner Zärtlichkeit zwischen den beiden, alle sonstigen Berührungen hatten immer nur mit dem zu tun gehabt, was sich vor dem Einschlafen abgespielt hatte. Jetzt stand die letzte Nacht an, danach der letzte Tag – und dann?
     
    Er hatte ein bisschen zu früh über den letzten Tag hinaus gedacht, zu sicher war er sich über dessen Verlauf gewesen. Schon am Nachmittag aber, im Hotel in Seattle, zeichnete sich etwas ab, das gar nicht in Lothar Sahms Sinn war: Ellen verpackte sorgfältig ihre Kameras.
    „Was machst du denn da?“, fragte er einigermaßen alarmiert. „Willst du denn morgen nicht noch mal auf Fototour gehen?“
    „Nein, du weißt doch, mein Thema war Kanada. Morgen habe ich etwas anderes vor. Lass dich überraschen.“
    Diese Nacht war anders als alle davor, Ellen war wie ausgewechselt. Vor dem Abendessen duschte sie und zog sich um: kleine Karos, bei ihr fast schon große Abendgarderobe. Sie fragte an der Rezeption nach dem besten Lokal der Stadt und bekam eines genannt, in dem man keinen Wert auf Äußerlichkeiten legte und das trotzdem sehr gut war. Lothar Sahm konnte Fisch und Wein nicht recht genießen: Die Gaststättendichte Wallfelds gewohnt, rechnete er ständig damit, Sarah könnte zur Tür hereinkommen. Zurück im Hotel, suchte Ellen intensive Zärtlichkeiten, und er, hin- und hergerissen, ließ diese Zärtlichkeiten zu und kam sich doch überrumpelt vor und schäbig, sie anzunehmen, dabei aber an jemand anders zu denken. In dieser Nacht kam Ellen noch nicht darauf, dass etwas nicht stimmen könnte.
    Ihre Pläne für den nächsten Tag waren ebenso unpassend wie rührend. Sie wollte ihn einladen bei allem, was sie den ganzen Tag über unternehmen würden, ein kleines Dankeschön dafür, sagte sie schelmisch lächelnd, dass er unterwegs so tapfer und meistens freundlich ihre Launen und ihre stundenlangen Fotostopps erduldet hatte. Ausgiebig frühstücken wollte sie, danach ein wenig durch die Innenstadt bummeln, händchenhaltend – bei jedem öffentlichen Telefon, an dem sie vorbeikamen, hätte er sich am liebsten losgerissen und eine ganz bestimmte Nummer gesucht und gewählt. Er schaffte es, sich nichts anmerken zu lassen, bis Ellen zum Höhepunkt ihres Besichtigungsprogramms kam.
    Sie

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