Köhler, Manfred
fünf Zeilen gekürzt und der Autor die Kürzung abgesegnet hatte, lauerte neben der Kolumne des ehrenwerten Dr. Dr. Rosenholz nun folgender Begleittext:
Aufgespießt
Messer und Gabel wurden bekanntlich erst lange nach dem Urknall als Esswerkzeuge entdeckt. Dennoch handhaben heutzutage selbst Kleinkinder diese eigentlich eher unberechenbaren Schneid- und Stechinstrumente mit ähnlich traumwandlerischer Sicherheit wie Schnuller oder Smartphone, so dass man meinen könnte, der Bewegungsablauf sei inzwischen im Erbgut des modernen Menschen verankert. Wie schwer sich jedoch der eiszeitliche Wallfelder unmittelbar nach Erfindung von Messer und Gabel getan haben muss, der revolutionären Neuheit etwas abzugewinnen, belegen Bemühungen gegenwärtiger Wallfelder, auch im Jahr 21 nach Eröffnung des ersten China-Restaurants der Stadt ihre Sauer-Scharf-Suppe mit Stäbchen zu essen. Blenden wir doch mal ein paar tausend Jahre zurück...
Also, sprach Wrx, der seinerzeit irgendwo zwischen Eichelwäldchen und Bärengebirge hauste; also, sprach er, was-is-nu passiert? Kumpel Grlp, soeben aus dem Geäst eines Riesenschachtelhalms geplumpst und anschließend beinahe von einem Mammut niedergetrampelt, hatte sich beim Aufprall einen vierzackigen Ast ins Gesäß gespießt und beim Ausweichen vor dem Zotteltrampeltier mit einem scharfkantigen Urzeit-Grashalm in den Finger geschnitten. Wrx, beeindruckt von dem Vorfall, vollzog Grlps Martyrium am Abend zur Erheiterung der Sippe solange an seinem Säbelzahntiger-Steak nach, bis sich plötzlich ein mundgerechter Happen aus dem Fleischberg löste.
Nicht auszudenken, wenn Grlp beim Sturz mit seiner Urzeit-Gabel Wrx erlegt hätte, statt sich selber aufzuspießen – wir müssten unsere Pizza womöglich mit dem Löffel essen. LS
„Vielleicht ein bisschen arg albern?“, fragte er.
„Besser zu albern als zu giftig. Wir wollen den guten Dr. Dr. ja nicht ins Grab bringen.“
Diese Feststellung verursachte einige Unruhe in Lothar Sahm. Was, wenn Hans-Bernd Rosenholz sich den öffentlichen Seitenhieb in unmittelbarer Nachbarschaft seiner Kolumne tatsächlich so zu Herzen nahm, dass ihm etwas zustieß? Immerhin war er schon weit über 80.
Dass es Ärger mit dem Geschäftsführer geben könnte, daran dachte er im Vorfeld der Veröffentlichung seiner Glossen schon lange nicht mehr. Crähenberger trat kaum noch in Erscheinung, nicht mal durch ermahnende Memos – offenbar hatte Liane Czibull ihm die Reißzähne gezogen. Überhaupt würde dieser Mensch schon bald keine Rolle mehr in seinem Leben spielen. Es war nicht auszuschließen, dass der Reiseführer sich so gut verkaufen würde, dass er noch dieses Jahr alles hinter sich lassen konnte. Immerhin war da auch die Aussicht auf den Folgeauftrag.
Alaska! Er wusste, dass Ellen auf die nächste Reise nicht gut zu sprechen war, noch immer ärgerte sie sich über die Bedingung, von der er seine Teilnahme abhängig gemacht hatte. Er konnte es dennoch nicht lassen, auf dem Weg nach Frankfurt davon anzufangen. Kaum hatten sie Ellens Leinwand, Projektor und Diakästen im Kofferraum seines Autos verstaut, kaum war Ellen eingestiegen und angeschnallt, sie waren noch nicht mal auf der Autobahn, ging es auch schon los.
„Ich habe mich vorgestern mal in unsere Reiseroute vertieft. Also, ich glaube nicht, dass wir in vier Wochen alles schaffen. Wir sollten mindestens sechs Wochen kalkulieren.“
„Du, von Alaska will ich jetzt nichts hören. Es wäre gescheiter, sich erst mal ganz auf Kanada zu konzentrieren und alle PR-Möglichkeiten auszuschöpfen, wirklich alle, statt schon vom nächsten Projekt zu träumen.“
„Das natürlich auch, aber wir sollten allen Leuten, denen wir jetzt mit Kanada kommen, schon mal das neue Projekt ankündigen. Dann ist nächstes Jahr der Wiedererkennungseffekt größer.“
„Wenn du meinst.“
„Du bist so einsilbig. Hast du etwa Lampenfieber?“
„Nein. Ich will nur noch mal in Gedanken alles durchgehen, wenn du erlaubst.“
Ganz klar hatte die Lampenfieber. Aber sei’s drum, er fühlte sich stark für zwei, er war bereit. Es konnte nichts schiefgehen! Der Erfolg war greifbar!
Sein Optimismus bekam einen Dämpfer auf dem Weg vom Messe-Eingang zum Stand ihres Verlages: Eine Viertelstunde lang an einer endlosen Reihe von Ausstellungshallen vorbeizustreben, dann in der eigenen Halle durch ein Gewirr von Gängen an Dutzenden von Verlagsständen mit einer nicht zu überschauenden Zahl von Buchtiteln – das ließ
Weitere Kostenlose Bücher