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Köhler, Manfred

Köhler, Manfred

Titel: Köhler, Manfred Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Irrtümlich sesshaft
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ihn erst begreifen, was es hieß, in Konkurrenz zu stehen zu Tausenden von Neuerscheinungen. Der Stand ihres Verlages war zwar nicht gerade umlagert von Publikum, aber das Angebot konnte sich sehen lassen, und das Buch des Autorenduos Frey/Sahm war auffällig präsentiert. Er lag schwer in der Hand, dieser Reiseführer, die Seiten waren fest und glänzend, Ellens Bilder von erstaunlicher Brillanz, seine Texte sinnvoll und leserfreundlich aufgemacht. Das Gefühl, das er seit seiner Jugend mit diesem Moment verbunden hatte, sein eigenes Buch in Händen zu halten, blieb allerdings aus, dieses Gefühl von: Geschafft nach all den Jahren! Es war ja nicht sein Buch allein, es war nicht sein Projekt, nicht seine Initiative – er war eingeladen worden mitzuwirken. Und dem entsprach auch sein Gefühl dabei: Es war das gleiche wie das, am Morgen die Wallfelder Rundschau aufzuschlagen und die eigenen Beiträge vom Vortag zu finden in einem Produkt, an dem auch viele andere mitgewirkt hatten. Nicht, dass dieses Gefühl nichts wert gewesen wäre. Aber es blieb weit hinter dem zurück, das er sich ersehnte.
    So saßen sie nun den Rest des Nachmittags am Stand ihres Verlages, lernten zwei der Lektoren, drei Bürokräfte und sogar den stellvertretenden Verlagsleiter kennen, informierten den einen oder anderen Passanten über die Reise und das Buch, dieser eine Gang am Stand vorbei wurde zum Nabel der Welt, zur Achse, um die sich die ganze Buchmesse zu drehen schien, man meinte, jeder einzelne der Zehntausende von Besuchern würde irgendwann auch hier vorbeilaufen. Lothar Sahm genoss dieses Gefühl von Wichtigkeit, zumal Ellen und er an diesem Tag die einzigen anwesenden Autoren des Verlages waren, er genoss es, bis sie am Abend schließlich von einem der Lektoren zum Vortragssaal geführt wurden, in dem ihre Veranstaltung stattfinden sollte. Wieder ging es vorbei an der gigantischen Vielfalt des Buchmarktes, was war diese Messe unüberschaubar, auch das, was sie nun kennenlernten, war ja nur ein weiterer Bruchteil. Lothar Sahm fand es gar nicht so verkehrt, dass ihm unmittelbar vor seinem Auftritt die vermeintliche Bedeutsamkeit seiner Lesung zurückgestutzt wurde. Das Kribbeln in seinem Bauch hielt sich dadurch in Grenzen, dieses flaue Gefühl, das er aus Schülertagen kannte, wenn es galt, vor die Klasse zu treten und ein Referat zu halten. Das war keine Prüfung hier, das Publikum wollte nichts weiter geboten bekommen als einen unterhaltsamen Abend, und den würden er und Ellen den Leuten bereiten. Er half ihr, die Leinwand aufzubauen und richtete sich dann seinen eigenen Leseplatz ein. Der Büchertisch war schon aufgebaut, die Stuhlreihen standen, es konnte losgehen.
     
    Schon eine halbe Stunde vorher strömten erste Gäste herbei; zehn Minuten vor Beginn war der Vortragssaal voll, 100 Zuschauer und -hörer hatten sie also, doch es wurden noch mehr: Als der Lektor um 20 Uhr seine Grußworte sprach, den Verlag und die beiden Autoren vorstellte, waren noch weitere 30 Interessenten eingetroffen, die mit Stehplätzen vorlieb nahmen.
    Lothar Sahm war beschäftigt mit einer jungen Frau in der ersten Reihe, die ihn beim Hereinkommen in einer Art zugenickt und zugelächelt hatte, als würden sie sich kennen. Sie hatte volles, dunkles Haar, einen Pagenschnitt, und trug ein hellblaues Kostüm. Tatsächlich kannte er das Gesicht, aber irgendwas stimmte nicht, dieses Gesicht und die Gesamterscheinung waren nicht mit dem Eindruck vereinbar, den er in Erinnerung hatte. Leider war keine Gelegenheit mehr, zu ihr hinzugehen und sie zu fragen.
    Die junge Frau hatte während des Vortrages mehr Augen für Lothar Sahm als für Ellens Dias. Im Halbdunkel spürte er immer wieder ihren Blick auf sich ruhen, und da er weitgehend auswendig vortrug, obwohl ihm der Lektor einen kleinen Lesespot auf das Buch eingerichtet hatte, suchte auch er ihren Blick, sah sich daran fest und hatte bald das Gefühl, nur für sie zu lesen.
    Ihre Aufmerksamkeit allein aber war es nicht, die ihn als Referenten in eine rauschhafte Hochstimmung versetzte. Von der ersten Minute an ahnte er das gesamte Publikum sich und Ellen zugeneigt, es wurde nicht getuschelt und geflüstert, sondern aufmerksam gelauscht und betrachtet, heitere Passagen in seinen Texten wurden mit Schmunzeln belohnt, er sah es im Licht der Diaprojektion, und Ellens grandiose Panoramen erregten das eine oder andere „Ah!“ und „Oh!“. Er fühlte sich stark genug zu experimentieren. Er trug nicht einfach

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