Kölner Kreuzigung
immer noch in Köln leben.«
»Da gibt es zwei oder drei Familien, die das von sich behaupten. Wirklich nachweisen können sie das meistens nicht. Irgendwann stirbt jedes Geschlecht aus, weil es keine Nachkommen gibt oder sie verlassen einfach die Stadt und ziehen woanders hin. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Familie tatsächlich so lange an einem Ort lebt, tendiert gegen Null.«
»Es geht um die Familie Hochkirchen. Sagt dir der Name was?«
»Klar, ist in Köln kein seltener Name.«
»Eine Agnes Hochkirchen hat Ende der 1920er-Jahre einem Kölner Museum ein Gemälde vererbt, das im Auftrag eines Vorfahren oder zumindest eines Kaufmanns gleichen Namens im 15. Jahrhundert gemalt worden ist. Hier in Köln. Mich würde interessieren, ob es noch Verwandte dieser Agnes Hochkirchen gibt und wie ich die finden kann.«
»Das klingt nach den Hahnwalder Hochkirchens. Tatsächlich eine sehr alte Kölner Familie, die ihre Herkunft von einem Kaufmann gleichen Namens ableitet. Geht es um den Familien-Lochner?«
»Dazu kann ich nichts sagen.«
»Also ja.«
»Leben denn noch Verwandte dieser Agnes Hochkirchen?«
»Es geht um den Familien-Lochner der Hochkirchens?« Sandmann wusste, dass Verena Talbot diese Frage in einer Dauerschleife so lange wiederholen würde, bis sie eine Antwort erhalten hatte, und er wusste auch, dass er nichts Neues von ihr hören würde, bis sie ihre Antwort bekommen hatte.
»Ja, aber mach bitte nicht gleich eine Story für deine Sendung daraus.«
»Keine Sorge, ich bin zurzeit an einer anderen Geschichte dran. Es leben angeblich noch Nachfahren dieses Kaufmanns. Allerdings lebt die Familie sehr zurückgezogen und wird wenig begeistert sein, wenn ein Privatdetektiv bei ihr auftaucht. Ein Kollege wollte mal einen kleinen Beitrag über die Hochkirchens für eine Tageszeitung schreiben. Nichts Großes, nur ein paar historische Daten und eine kurze Übersicht, was die Familienmitglieder heute so machen.«
»Und was hat er geschrieben?«
»Nichts. Die Zeitung hat den Auftrag widerrufen, nachdem er bei einem der Familienmitglieder vorstellig geworden ist, und er hat seitdem keine Zeile mehr irgendwo veröffentlicht. Wahrscheinlich fährt er Taxi, oder so. Aber bestimmt nicht in Köln. Die Stadt hätte ihm sicherlich keine Lizenz erteilt.«
»Wieso das nicht?«
»Weil die Hochkirchen das nicht gewollt hätten.«
»Sind die so mächtig?«
»Du wirst es erfahren.«
Mit diesen Auskünften und den Namen der lebenden Familienmitglieder beendete Sandmann das Gespräch. Nicht ohne seiner Gesprächspartnerin zu versichern, dass er sich gerne für ihre Hilfe revanchieren würde.
»Ich weiß«, hatte sie nur geantwortet, und Sandmann wusste, dass sie auch darauf zurückkommen würde. Irgendwann.
6
Die vier Soldaten betraten das Museum so, wie sie jeden Ort betraten, schneidig und selbstbewusst. Ihre Waffen, Pistole am Gürtel, Gewehr geschultert, störten niemanden in dem hektischen Treiben des Foyers. Arbeiter trugen große, schmale Kisten aus Holz zusammen und stellten sie neben dem Haupteingang ab. Museumsmitarbeiter umschwirrten die Holzbehälter und kontrollierten anhand von Listen, die sie in den Händen hielten, die Beschriftungen. Die Uniformierten bauten sich vor der Kassiererin auf und salutierten mit dem Hitlergruß. Die Frau hinter dem Tresen erwiderte den Gruß stumm, während der Ranghöchste der Soldaten bereits anfing zu sprechen. Seine Stimme war das Befehlen gewöhnt. Er sprach, als sei es selbstverständlich, dass seine Aussagen widerspruchslos akzeptiert wurden.
»Hauptmann Wilhelm Schulz, wir begleiten den Transport.« Ein älterer Mann wandte sich von den Kisten ab und kam auf sie zu, als er Schulz’ Stimme hörte. Er streckte dem Hauptmann die Hand hin, der erwiderte die Höflichkeit, indem er den Hitlergruß wiederholte.
»Willkommen, Hauptmann, gut, dass Sie da sind. Sie und ihre Männer. Mein Name ist Wolfgang Rast, ich bin der Kustos des Museums und mit der Organisation des Transportes einiger unserer kostbarsten Schätze beauftragt.«
»Es ist eine Schande, dass der Feind offenkundig das Ziel verfolgt, das Deutsche Reich mit seinem Kulturreichtum auszulöschen«, erwiderte Schulz in scharfem Ton.
»Ja, ja, kommen Sie, ich stelle Sie den Fahrern vor.«
»Wir fahren selbst.«
»Wie bitte?«
»Anweisung von der Stabsstelle. Aus Sicherheitsgründen sollen keine Zivilisten den Transport begleiten.« Schulz zog ein Papier aus der Tasche und überreichte es dem Kustos. Der
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