Kölner Kreuzigung
überflog es, nickte kurz und gab es dem Hauptmann zurück.
»Es wäre mir wirklich lieber, einer meiner Mitarbeiter würde sie begleiten. In diesen Kisten befinden sich einige der bedeutendsten Kunstschätze des Reiches.«
»Sie verstehen sicher, dass ich nicht gegen Befehle verstoßen kann.« Schulz formulierte keine Frage, sondern eine Feststellung. Noch bevor Rast etwas erwidern konnte, beendete eine Sirene ihre Unterhaltung. Die Männer im Foyer erstarrten. Während sie weiterhin wie festgewachsen dastanden, packte die Kassiererin routiniert ihr Kästchen zusammen und verließ ihren Platz. Rast schaute hilflos auf die Holzkisten. Dutzende Gemälde und Kunstwerke hatten sie in den vergangenen Wochen und Monaten in Leinentücher und Holzkisten gepackt. In den Keller- und Archivräumen des Museums waren sie halbwegs geschützt. Aber je länger der Krieg dauerte, je heftiger die Bombardements der Städte wurden, umso größer wurde die Gefahr für das Museum und seine Bestände. Nun sollten einige der wertvollsten Stücke aus der Stadt hinausgebracht werden in einen alten Bergwerksstollen hinter Altenberg im Bergischen Land. Dort würden sie in Sicherheit sein. Hier im Foyer waren sie es nicht. Schutzlos waren sie ihrem Schicksal ausgeliefert. Ging nur in der Nähe eine Fliegerbombe hoch, war ein Großteil der Museumsbestände vernichtet. Kunstschätze von unermesslichem Wert lagen in diesen Holzkisten.
»Wir müssen in die Schutzräume.« Ein Mitarbeiter zupfte Rast am Arm.
»Aber die Bilder? Vielleicht sollten wir sie lieber zurück in die Keller bringen?«
»Dazu ist keine Zeit.«
»Warten wir ab. Vielleicht trifft es uns gar nicht.« Es war das erste Mal, dass einer der anderen Soldaten sprach. Rast betrachtete den jungen Mann, der in seinen Augen fast noch ein Kind war. Schulz ergriff das Wort.
»Wir müssen die Schutzräume aufsuchen. Merx hat recht. Vielleicht ziehen die Bomber weiter.« Er legte dem Kustos die Hand auf den Arm. »Und sobald sie weg sind, verladen wir ihre Kunstschätze und bringen sie in Sicherheit. Darauf gebe ich Ihnen mein Wort als Offizier der Deutschen Wehrmacht.«
»Aber sie sind hier völlig ungeschützt! Hier stehen Werke von Rembrandt, Rubens, Tizian, Lochner! Die können wir nicht stehen lassen!«
»Dann bleibe ich persönlich hier und achte darauf, dass ihren Schätzen nichts passiert.« Rast gab nach. Während die Soldaten sich im Foyer einen provisorischen Unterstand bauten, folgte er seinen Mitarbeitern in den Bunker. Etwa eine Stunde später gab die Sirene Entwarnung. Köln war dieses Mal verschont geblieben. Eilig verluden Rast und seine Mitarbeiter anschließend die Holzkisten in die von der Wehrmacht bereitgestellten Lkws. Als sie fertig waren, wandte sich Rast noch einmal an den Hauptmann.
»Sie tragen jetzt die Verantwortung für das künstlerische Erbe dieser Stadt, Herr Hauptmann. Bitte seien Sie sich dessen bewusst. Ein Verlust dieser Werke wäre eine Katastrophe ohnegleichen.«
Der Hauptmann nickte.»Ich bin mir des Wertes dieser Werke und der Größe meiner Aufgabe bewusst. Vertrauen Sie mir.« Er schlug die Hacken zusammen und salutierte erneut vor dem Kustos, der den Gruß kurz erwiderte, weniger aus Überzeugung, als um eine Verbindung zwischen ihm und diesem Soldaten herzustellen, eine Verbindung, die ihm die Kunstschätze, die er ihm anvertraute, irgendwann, wenn dieser elende Krieg zu Ende war, heil zurückbringen sollte. Doch Wolfgang Rast sollte diesen Krieg nicht überleben.
7
Paula Wagner und Hannes Bergkamp saßen auf einem weißen Ledersofa im Foyer der Agentur LaBaisse. Das junge Mädchen mit dem blonden Zopf, das sie empfangen hatte, saß wieder an dem alten barocken Holztisch, der als Rezeption und Empfang diente, und telefonierte. Paula Wagner versuchte zu verstehen, was sie sagte, aber es gelang ihr nicht. Außer dem Sofa und dem Tisch war das Foyer fast völlig leer, was Paula Wagner durchaus als Vorteil verstand. So konnte man das schöne alte Fischgrätenparkett bewundern.
Eine Frau kam aus einem langen Flur hinter der Rezeption hervor. Sie trug schwarze Stiefel, einen schwarzen Rock und ein schwarzes Top. Die dunklen Haare wurden von einem pinkfarbenen Spängchen aus dem Gesicht gehalten. Als sie auf die beiden Polizisten zuging, erhob Paula Wagner sich, Bergkamp tat es ihr gleich. Das Sofa quietschte leise aber vernehmlich. Paula Wagner registrierte einen kräftigen Hall in den Räumen.
»Kommen Sie doch bitte mit«, sagte die
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