Kölner Kreuzigung
worden war, als zwei Soldaten der Wehrmacht die Kunstschätze des Wallraf-Richartz-Museums in einem kleinen Bergwerksdorf im Wittgensteiner Land abgegeben hatten. Mit den Unterschriften der Soldaten und des zuständigen Betreuers im Bergischen.
Was ihn jedoch wirklich in Aufregung versetzte, war das, was fehlte. Er hatte den Anhang sorgfältig danach durchgeblättert und andere Übergabeprotokolle verglichen, um sicher zu sein, dass es ein wirklich untypisches Fehlen war. Aber zumindest nach diesem Buch war es einwandfrei, und es war offenbar nicht einmal dem Autor selber aufgefallen. Anders als bei allen anderen Übergaben fehlte bei dieser eine Liste über die übergebenen Kunstschätze des Wallraf-Richartz-Museum. Was genau in Fischelbach abgegeben wurde, war möglicherweise nie kontrolliert worden. Dennoch hoffte Marius, dass einer der Beteiligten vielleicht noch lebte. Zurück im Büro machte er sich auf die Suche nach ihnen.
23
Die Namen der beiden Soldaten führten zu keinen Treffern. Wilhelm Schulz war ein Allerweltsname. Er würde sich später mit ihm beschäftigen. Er wusste, wen er nach allem Militärischen fragen konnte. Auch der Name Josef Meingold brachte Marius nicht weiter.
Bei Lutz Heilburg, dem Mann, der das Protokoll für die Aufnahmestelle Grube Gonderbach unterschrieben hatte, hatte Marius allerdings Erfolg. Was der Tatsache zu verdanken war, dass Heilburg, wenn es sich um den Heilburg aus dem Protokoll handelte, immer noch im gleichen Ort lebte. Im Internet fand Marius eine Telefonnummer.
Er wählte, erreichte jedoch niemanden. Ob es sich lohnen würde, hinauszufahren? Marius schätzte, dass er ein oder zwei Stunden für die Fahrt benötigen würde, wenn er ein Auto hätte. Er kramte das Mobiltelefon aus der Hosentasche und suchte nach der Nummer von Brocks Tochter. Eigentlich wollte er sie längst angerufen haben, jetzt war der richtige Augenblick gekommen, er brauchte ihre Hilfe.
»Ja.«
Marius benötigte einen Augenblick, um sich nach dieser knappen, nicht einmal als Frage formulierten Ansage zu sammeln. Er stotterte: »Sandmann, Marius hier. Der Mitarbeiter deines Vaters. Ich wollte dich mal was fragen.« Gedanklich donnerte Marius seinen Schädel gegen den Türrahmen, wie bescheuert war das denn bitte? Ob Friederike Brock am anderen Ende Ähnliches dachte, konnte Marius nicht sagen. Ihre Stimme blieb neutral. Überhaupt fand Marius Friederike schlecht einschätzbar. Er wusste, dass sie ein schwieriges, ihren eigenen Worten nach gar kein Verhältnis zu ihrem ermordeten Vater gehabt hatte, dass Brock seine Tochter in all den Jahren mit keinem Wort erwähnt hatte, sagte immerhin auch etwas. Selbst wenn Brock kein sehr auskunftsfreudiger Mensch gewesen war, zumindest Friederikes Mutter hatte er gelegentlich erwähnt. Seine Tochter allerdings nicht.
»Ja?«
Marius entschloss sich ebenfalls auf höfliches Herumeiern zu verzichten. »Würdest du mir heute den Wagen deines Vaters überlassen?«
»Er hatte ein Auto?«
»Ja, einen alten Renault, steht in der Straße vor seiner Wohnung. Habe ich gesehen, nachdem wir uns kennengelernt haben. Ein paar Schlüssel liegen hier.«
»Klar. Von mir aus. Ist ja nicht mein Auto.«
»Erbst du nicht?«
Friederike antwortete nicht direkt. Für einen kurzen Moment herrschte Stille. »Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht.«
»Wenn der alte Mann kein Testament gemacht hat und keine weiteren Verwandte auftauchen, kann ja niemand anderes erben.«
»Viel zu erben wird da wahrscheinlich auch nicht sein. Egal. Nimm dir den Wagen einfach. Ich habe eh kein Interesse dran.« Mit diesen Worten beendete sie das Gespräch und legte auf.
Dann versuchte er erneut Lutz Heilburg anzurufen. Eine Frauenstimme meldete sich. »Guten Tag, Sandmann mein Name, ich hätte gern Lutz Heilburg gesprochen.«
»Was wollen Sie denn von meinem Vater?«
»Das würde ich ihm gerne selber sagen.«
»Der ist um die Zeit immer draußen am See. Vielleicht rufen Sie in zwei Stunden wieder an. Wie war noch gleich Ihr Name?« Aber Marius hatte bereits aufgelegt. Er wäre in zwei Stunden vor Ort, das war besser, als hier zu warten.
Eine Viertelstunde später saß er in Brocks Renault. Bevor er losfuhr, nahm er sich Zeit, das Auto gründlich abzusuchen. Weder er noch die Polizei hatten bisher einen Blick hineingeworfen. Er fragte sich, ob die beiden Polizisten, die sich mit dem Fall befassten, etwas von ihrem Job verstanden. War es nicht Routine, das Auto des Opfers zu
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