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Kölner Kulissen

Kölner Kulissen

Titel: Kölner Kulissen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sascha Pranschke
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halbes –«, beginnt Paula, doch Julia hebt die Hand.
    »Und du hast was dabei? Zum Probieren?«
    Paula öffnet ihre Handtasche und zieht den zusammengerollten Gefrierbeutel heraus. Eine kleinere Plastiktüte hat sie zu Hause nicht gefunden. Ein paar Teelöffel von dem Kokain hat sie hineingefüllt. Sie wirft den Plastikbeutel auf den Tisch.
    Zuerst runzelt Julia die Stirn. Dann rollt sie den Beutel auseinander, öffnet ihn, befeuchtet eine Fingerkuppe, steckt sie hinein und leckt das Pulver mit der Zungenspitze ab. Sie wartet ein paar Sekunden. Dann steht sie auf und verschwindet im Flur. Als sie zurückkommt, hat sie einen Handspiegel, eine Rasierklinge und ein Metallröhrchen dabei.
    »Ich würde nie einen Geldschein benutzen«, sagt sie, während sie auf dem Spiegel zwei schmale Linien vorbereitet. »All die Bakterien auf den Banknoten – davon kann man krank werden.«
    Paula sieht das nicht zum ersten Mal. Sie will hier endlich fertig werden und gehen.
    »Also, was ist? Glaubst du, du wirst das Zeug los?«
    Julia legt die Rasierklinge beiseite und nimmt das polierte Metallröhrchen in die Hand.
    »Darüber mach dir keine Sorgen«, sagt sie und sieht Paula an.
    Wieder zeigt sich ein neuer Ausdruck auf ihrem Gesicht. Und wieder kann Paula ihn nicht deuten. Beinahe amüsiert sieht Julia jetzt aus. Ihr scheint die Situation immer besser zu gefallen.
    »Auf deinen Bruder«, sagt sie, beugt sich nach vorn und zieht sich die erste Linie rein. Dann wechselt sie das Röhrchen in die andere Hand. Bevor sie sich erneut zum Spiegel hinunterbeugt, sagt sie: »Bei der Menge, Paula … da müsste doch eine Provision für mich drin sein, oder?«
    Paula sitzt noch mit Dieter Bomke beim Espresso, als in ihrer Handtasche das Telefon surrt. Vor der Verabredung hat sie es stumm gestellt, schließlich geht es hier um einen Job. Um einen regelmäßigen und ziemlich gut bezahlten Job. Für Paulas Rolle sieht Bomke drei Drehtage pro Woche vor. Sie soll die uneheliche Tochter eines Protagonisten der Serie darstellen. Nachdem dieser gestorben ist, taucht sie aus Südamerika auf und beansprucht einen Teil vom Erbe des Patriarchen. Wie oft hat Paula die Story schon gehört, gesehen oder gelesen? Aber Bomke ist begeistert von der Idee seiner Drehbuchautoren.
    »Du wirbelst alles durcheinander«, sagt er. »Du fegst wie ein Orkan durch die ›Stadt am Fluss‹.« Nach jedem Satz schlürft er an seinem Espresso. Er redet viel. Trotzdem leert er die winzige Tasse einfach nicht.
    »Entschuldige, Dieter«, sagt Paula und zieht ihr Handy aus der Tasche. Inzwischen ist sie sicher, dass Bomke ihr die Rolle geben will. Nicht sicher ist sie sich darüber, ob sie das Angebot annehmen möchte. Sie deutet auf ihr surrendes Telefon.
    »Mein Bruder«, lügt sie, nachdem sie aufgelegt hat. »Ich fürchte, ich muss zu ihm.«
    »Julia hat erzählt, er ist ein Pflegefall«, sagt Bomke. »Bewundernswert, wie du dich um ihn kümmerst.« Er greift nach ihrer Hand, drückt sie und nickt aufmunternd.
    Paula ist schon aufgefallen, dass Bomke sich einige Gesten von seinen Darstellern abgeguckt hat. Gesten, die mehr als Worte sagen sollen, die bei ihm jedoch aufgesetzt wirken. Paula lächelt gequält und bedankt sich für das Essen. Wird Zeit, dass sie hier wegkommt.
    Bomke sagt, er werde sie in den nächsten Tagen anrufen. Dann schlürft er endlich den letzten Tropfen Espresso aus seiner Tasse.
    »Dein Anruf hat mich gerettet«, sagt Paula eine Viertelstunde später zu Vincent Wallenstein. Sie treffen sich vor der Filmpalette. »Wer weiß, wie lange Dieter sonst noch von den grob gestrickten Klischees seiner Serie geschwärmt hätte.«
    »Willst du die Rolle denn übernehmen?«
    »Gute Frage. Aus finanzieller Sicht wäre es verrückt, sie abzulehnen.« Sie ist überzeugt, dass Vincent ihr nun raten wird, lieber an ihre künstlerische Selbstverwirklichung als an den schnöden Mammon zu denken. Oder dass er eine andere Floskel benutzen wird, um dasselbe auszudrücken. Doch er überrascht sie.
    »Wenn dir die Serie noch Zeit für andere Rollen lässt«, sagt er, »dann nimm das Angebot doch an. Was ist gegen Geldverdienen einzuwenden?«
    »Vincent!« Übertrieben schockiert sieht sie ihn an. »Bis jetzt habe ich dich für einen Ästheten gehalten!« Sie ist ihm dankbar dafür, dass er ihre Vorbehalte relativiert. Ja, was ist eigentlich gegen Geldverdienen einzuwenden? Und gegen ein Haus wie das von Julia? Spießig, okay, aber Julias Toilettenspülung funktioniert,

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