Kölner Kulissen
wie die der Spieler. Fast schwerfällig. Vielleicht sollte Zoltan es auch einmal ausprobieren?
Eine Bewegung im Augenwinkel lenkt ihn vom Spiel ab. Er sieht nach links, blinzelt gegen die Sonne. Durch ein Loch im Blätterdach strahlt sie genau in seine Augen. Ein orangebraunes Flattern direkt vor seinem Gesicht, dann ist es wieder weg. Zoltan beschirmt seine Augen mit einer Hand, wendet den Kopf nach beiden Seiten. Da ist es wieder, am anderen Ende der Parkbank. Vielleicht Cynthia cardui , denkt er.
Mit Sicherheit kann er das erst sagen, wenn sich der Schmetterling setzt und die Flügel für einen Moment stillhält. Und wenn Zoltan seine Brille aufsetzt. Da flattert der Falter näher und landet mitten auf seinem linken Oberschenkel. Zoltan hält die Luft an. Mit einer Langsamkeit, die keiner der Boulespieler jemals erreichen wird, zieht er die Brille aus der Brusttasche seines Hemdes und setzt sie auf. Der Schmetterling besitzt eine Spannweite von annähernd sechs Zentimetern. Die Keulen an den Enden der Fühler zittern im leichten Abendwind. Ja, Cynthia cardui , ein Distelfalter, an sich nichts Besonderes. Keine Art ist weiter verbreitet als dieser Wanderfalter. Trotzdem trifft man in manchen Jahren nördlich der Alpen kaum auf ihn. Für Zoltans Sammlung taugt er nicht.
Kaum dass er ihn bestimmt hat, fliegt der Falter weiter in Richtung der Boulespieler. Und lässt sich genau auf der kleinen gelben Kugel nieder, der alle Spieler mit ihren Metallkugeln so nah wie möglich zu kommen versuchen. Die gelbe Kugel liegt nur zwei Meter neben der Bank, auf der Zoltan sitzt. Mit jeder Partie sind die Spieler näher herangerückt. Den Schmetterling scheinen sie nicht zu bemerken. Oder er ist ihnen egal. Der nächste Spieler holt bereits zum Wurf aus. Zoltan will etwas sagen, will den Mann vom Werfen abhalten.
Da legt sich eine Hand auf seine Schulter.
Reflexartig springt er auf und dreht sich um. Dabei windet er sich aus dem Griff und packt gleichzeitig nach der Kehle dessen, der sich da von hinten angeschlichen hat.
»Hey, ist ja gut.« Theatralisch hebt Slobo die Hände in die Höhe. »Immer im Training, was?«
Klick, klack. Hinter seinem Rücken hört Zoltan die Kugeln aneinanderstoßen. Er dreht sich um. Von dem Schmetterling ist nichts zu sehen.
»Du bist zu spät«, sagt er.
»Vor zehn ist in dem Laden sowieso nichts los. Und jetzt lass gefälligst meinen Kragen los! Das ist ein Armani-Hemd.«
»Steht dir nicht«, sagt Zoltan und stößt Slobo weg. Dann setzt er sich in Bewegung. Erst auf der Straße holt Slobo ihn ein.
»Warum glaubst du eigentlich, dass wir das Arschloch ausgerechnet in diesem Club finden?«
»Ich glaube gar nichts«, sagt Zoltan. »Ich gehe systematisch vor. Ein Laden nach dem anderen.«
Womit er die momentan in der Medienszene angesagten Kneipen und Clubs meint. Vier davon hat er bereits am Samstag- und Sonntagabend besucht. Allein – Slobo hat Dragan etwas von einer Darminfektion erzählt und daraufhin freibekommen. Die Ausrede eines Schulkinds, hat Zoltan gedacht. Aber er hat den Mund gehalten, froh darüber, wenigstens am Wochenende ohne Slobo unterwegs zu sein. Heute ist Montag. Insgeheim bezweifelt er mittlerweile, dass seine Strategie zum Erfolg führen wird.
Nach seiner Theorie muss ein halbes Kilo Koks Spuren hinterlassen. In der Szene kennt man sich. Vicos Tod hat den Warenfluss gestört. Und wenn ein neuer Anbieter auftaucht, wird Zoltan es erfahren, sofern er die Augen offen hält. Dass er in der Medienszene suchen muss, davon ist er überzeugt. Parallel zu seiner Suche in Lokalen hat er begonnen, Frauen anzusprechen, deren Namen, Adressen und Telefonnummern er in Vicos Adressbuch gefunden hat. Bei annähernd hundert Namen hat er bereits im Internet recherchiert, ob es sich um Schauspielerinnen handelt. Ist das der Fall, ruft er sie an, gibt sich als Caster aus und bittet um ein Treffen. Weit hat ihn das noch nicht gebracht. Zwei alternde Diven hat er heute Nachmittag getroffen und mit großer Mühe eine frei erfundene Filmstory vor ihnen ausgebreitet. Die Hauptrolle sei wie für sie geschrieben, hat er nacheinander beiden erzählt. Und beide haben sich geschmeichelt gefühlt. Als er ihnen jedoch in einem Nebensatz etwas zum Schnupfen angeboten hat, sind sie auf Distanz gegangen. Bald darauf hat er die Gespräche beendet.
Bei seiner Internetrecherche hat er ein paar Gesichter von Vicos Beerdigung erkannt. Er plant, die Frauen an den kommenden Tagen zu beobachten und an
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