Kölner Kulissen
meinem Partner sagen, dass er dich loslassen soll. Wenn er das tut, sagst du uns dann, wer dir den Stoff gegeben hat?«
Sie nickt heftig, wobei sich der Lauf der Waffe wieder in ihren Hals bohrt. Sie scheint das nicht zu bemerken, denn sie hört gar nicht mehr auf zu nicken.
»Okay, okay«, sagt Zoltan, »ist ja gut, beruhig dich.« Er sieht Slobo an. »Dann lass die Dame bitte los.«
Slobo lockert zunächst den Griff, mit dem er ihren Arm hinterm Rücken verdreht hat. Die Pistole zielt weiterhin auf ihre Kehle. Er lässt seine linke Hand hinter dem Rücken der Frau sinken, kneift ihr kurz in den Hintern, muss darüber lachen, tritt einen Schritt zurück, tritt in die Leere neben der obersten Treppenstufe, stolpert rückwärts, prallt mit dem rechten Ellenbogen gegen die Wand.
Der Schuss ist ohrenbetäubend. Zoltan schließt reflexartig die Augen. Etwas Warmes klatscht in sein Gesicht. Als er die Augen wieder öffnet, ist vom Gesicht der Frau nur noch die rechte Hälfte übrig. Die linke Seite ist ein rotes, matschiges Loch. Das Projektil muss schräg von unten in die rechte Seite ihres Halses eingedrungen sein. Etwa dort, wo sich ihr linkes Auge befunden hat, ist es wieder ausgetreten.
Zwischen den beiden Männern sackt die Frau zu Boden. Ihr rechter Fuß rutscht über den Treppenabsatz. Dabei löst sich der hochhackige Schuh. Stufe für Stufe poltert er die Treppe hinunter.
DREIZEHN
Sie bleibt nicht bis zum Morgen. Das tut sie selten. Gegen vier Uhr hört sie an Vincents Atem, dass er schläft. Vorsichtig rollt sie sich von ihm weg und steigt aus dem Bett. Sie haben geschwitzt, der Geruch ihrer Körper hängt noch in der Luft. In der Küche zieht Paula sich an und öffnet ein Fenster. Irgendwo klingelt ein Telefon, aber niemand hebt ab. In den Straßen ist es still. Sie atmet die kühle Nachtluft ein und spürt ihre trockene Kehle.
Neben dem Fenster stehen drei Kästen Mineralwasser übereinandergestapelt. Die Etiketten sämtlicher Flaschen sind nach vorn gedreht, bemerkt Paula, als sie eine Flasche herausnimmt und den Deckel abschraubt. Außer Mineralwasser scheint Vincent nichts zu trinken. Sie findet weder Saft noch Milch, geschweige denn Wein oder Bier, nicht einmal Teebeutel oder Kaffeepulver. Eine geöffnete Wasserflasche in der Hand, ertappt sie sich dabei, wie sie Vincents Küche einer gründlichen Inspektion unterzieht. Alles, was er im Kühlschrank aufbewahrt, sind Margarine, ein Glas eingelegte Gurken und eine Pappschachtel mit dem Rest eines asiatischen Fast-Food-Gerichts. Im Hängeschrank darüber: Knäckebrot, zwei Tomaten, eine Salatgurke, Öl, Essig, Salz und Pfeffer. Auf dem Herd glänzt ein blank polierter Stieltopf. Das übrige Geschirr steht ordentlich gestapelt und sortiert in den Schränken. Ein Spültuch hängt über dem Wasserhahn. Über dem quadratischen Holztisch pendelt eine nackte Glühbirne in der Zugluft hin und her.
Ebenso sauber, aufgeräumt und deshalb wenig einladend findet sie den Rest von Vincents Wohnung vor. Kein Fussel auf dem Sofa, keine Staubflocke auf dem Fußboden, nirgendwo steht etwas im Weg herum. An den Wänden des Wohn- und Arbeitszimmers reihen sich Bücherregale aneinander. Aber nicht ein einziges Buch liegt aufgeschlagen auf der Sofalehne oder auf dem Schreibtisch. Auf Letzterem befinden sich nur ein zugeklappter Laptop und ein Drucker, ein Keramikbecher mit Bleistiften darin, die Spitzen nach oben, sowie ein vierstöckiges Ablagesystem aus Plexiglas. In keinem der Fächer liegt Papier. An die Kante der Schreibtischplatte hat Vincent ein mechanisches Gerät von der Größe einer Zigarrenkiste montiert. Es verfügt über eine Schraubwinde und eine Kurbel. Paula tritt näher heran und rätselt einen Augenblick, was das sein mag. Dann identifiziert sie das Gerät als Bleistiftanspitzer. Der Stift wird in die Mitte gespannt und durch Drehung der Kurbel angespitzt. Paula beugt sich vor und beäugt das halbe Dutzend Bleistifte in dem Keramikbecher. Sie sind ausnahmslos spitz wie Nadeln.
Vincents Schlafzimmer hat den gleichen Eindruck gemacht: Sein schmales, einfaches Bett hat gerochen, als hätte er es gerade frisch bezogen. Den Schrank hat sie zwar nicht geöffnet, aber sie vermutet darin eine Ordnung, an der Heimerzieher und Militärausbilder ihre Freude hätten. Sie könnte das nachprüfen, aber sie will nicht noch einmal zurück. Vielleicht würde er aufwachen, und dann müssten sie reden. Vorhin, kurz bevor er eingeschlafen ist, seine schweißnasse
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