Kölner Kulissen
einem geeigneten Ort »zufällig« zu treffen. Der Rest wird Improvisation sein. Und mühsam.
Von seiner Suche in Szenebars erhofft er sich mehr. Es wäre auch der angenehmere Teil der Suche – wenn die DJs die Musik nur nicht so laut aufdrehen würden. Kaum hat er mit Slobo an der Theke Platz genommen, greift Zoltan bereits nach einer Papierserviette. Er rupft sie auseinander und formt zwei Ohrenstöpsel daraus. Zwar versteht er Slobo jetzt nicht mehr, aber das ist kein großer Verlust. Und nachdem Zoltan dreimal auf eine Frage nicht geantwortet hat, nimmt Slobo sein Glas in die Hand, dreht sich auf dem Barhocker zur anderen Seite und quatscht die dort sitzende Frau an. Das ist auch gut so, deshalb sind sie schließlich hier.
Zoltan hofft nur, dass Slobo kapiert hat, wie sensibel sie vorgehen müssen. Dass es nichts bringt, mit der Tür ins Haus zu fallen, nach dem Motto: Hast du ’ne Ahnung, wer hier Stoff verkauft? Das würde die Frauen nur abschrecken oder misstrauisch machen. Und es geht ja auch nicht allein darum, herauszufinden, wer etwas verkauft. Noch wichtiger ist, zu erfahren, woher das Zeug kommt. Verdammt, je mehr er darüber nachdenkt, desto unwahrscheinlicher erscheint es Zoltan, dass seine Augen-offen-halten-Strategie sie zu Vicos Koks führen wird.
Er bestellt sich noch einen Whisky. Im letzten Moment kann er den Barkeeper daran hindern, Eis ins Glas zu tun.
»Das stört doch nur«, sagt er. Er hat kaum an dem Whisky genippt, als der Erfolg seiner Strategie ihn überrascht. Zwar kann er nicht ahnen, wie das Gespräch mit der Frau verlaufen wird. Aber er erkennt sie sofort. Slobo wird ihm später sagen, er kenne sie aus dem Fernsehen. Aber Zoltan sieht nicht fern. Er erinnert sich an die Frau von Vicos Beerdigung.
Von einem Tisch in der Mitte des Raums kommt sie gerade auf ihn zu. Dabei trägt sie ein offenes, selbstbewusstes Lächeln zur Schau. Unter dem blonden Pony hat sie hübsche graue Augen. Zoltan ist froh, dass Martha nicht allzu viele Fragen zu seinem Job stellt. Das gilt für Momente wie diesen noch mehr als für solche, in denen er zahlungsunwilligen Geschäftspartnern die Finger bricht.
Die Frau bewegt die Lippen.
Zoltan popelt die Taschentuchstöpsel aus seinen Ohren.
»Bitte, was?« Er beugt sich ein wenig vor.
»Ob ich Ihr nächstes Getränk bezahlen darf?«, fragt die Frau.
»Nein, dürfen Sie nicht«, antwortet Zoltan. »Ich bin altmodisch. Aber Sie dürfen sich zu mir setzen.«
Das tut sie. Und beginnt augenblicklich, ihn anzumachen. Offensichtlich ist sie auf irgendwas drauf. Sie redet ohne Pause und fasst Zoltan ständig an. Zuerst an den Händen, dann auch an den Oberschenkeln. Wegen der Musik versteht er von ihrem Gerede nur die Hälfte. Ab und zu streut er einen Satz ein, sagt etwas Nettes über ihre Frisur oder ihr Make-up. Das reicht, um sie bei Laune zu halten. Bald ist er sicher, dass sie gekokst hat. Er fragt sie, ob sie was dabeihabe.
Sie lächelt und schlägt ihm vor, sie auf die Toilette zu begleiten.
Während er am Waschbecken von dem Koks probiert, dreht er der Frau den Rücken zu. Er nimmt nur eine winzige Prise, gerade genug, um die Qualität zu beurteilen. Bei der Arbeit hat er seine Sinne gern beisammen. Und er will nicht, dass das Zeug ihn am Ende tatsächlich geil auf die Frau macht. Sie will ihm nämlich direkt an die Wäsche.
»Das ist gut«, sagt er – und schiebt sie gleichzeitig von sich weg.
»Dann lass mich doch weitermachen.« Sie befingert den Reißverschluss an seiner Hose.
»Ich meine, das Zeug hier ist gut.«
»Ach so …« Sie lässt ihn los und sieht enttäuscht aus.
»Nein, du natürlich auch«, beeilt er sich zu sagen. »Aber ich glaube, hier kann ich nicht.«
»Schüchtern?«
»Liegt an meiner Erziehung.« Er grinst schief.
Sie lacht. »Du bist süß«, sagt sie und drückt ihm einen Kuss auf die Lippen.
»Können wir nicht zu dir fahren?«, fragt er. »Mein Wagen steht ganz in der Nähe.«
Er muss unbedingt herausbekommen, ob sie noch mehr von dem Koks hat. Und von wem sie es bekommen hat. Denn das Zeug erinnert ihn verdammt an den Stoff, den sie Vico zuletzt geliefert haben.
»So schüchtern bist du also doch nicht, was?«, sagt sie und zieht ihn hinter sich her zur Tür.
Im Vorbeigehen gibt er Slobo ein Zeichen, er werde sich telefonisch melden. Auf dem Weg zum Auto fragt er sie nach ihrer Adresse. Noch bevor sie losfahren, schickt er die Adresse per SMS an Slobo.
»Wem schreibst du?«, fragt sie.
»Meiner Frau.
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