König 01 - Königsmörder
nicht kennen.«
Ohne jede Vorwarnung kamen Dathne die Tränen.
»Verdammt …«
Auch Veiras Augen waren feucht. »Du darfst deinen Glauben nicht verlieren, Kind. Vertraue auf die Prophezeiung. Matthias, Rafel und ich werden es schon schaffen, dir deinen Asher wiederzubringen.«
»Rafel?«, flüsterte sie.
Veira nickte. »Der Mann, den wir unterwegs treffen werden.«
Der Mann, der schon bald sterben würde. Hatte sie wirklich einen Namen wissen wollen? Ja, aber jetzt bedauerte sie, ihn erfahren zu haben. Namen waren real. Namen gehörten den Lebenden und erinnerten an die Toten. Unsicher zog sie sich auf die Füße. »Wenn ihr diesen Rafel erreicht, sagt ihm, dass ich ihm dankbar bin. Sagt ihm, dass es mir leidtut. Sagt ihm, ich wünschte, es hätte einen anderen Weg gegeben.«
Feierlich und voller Trauer streckte Veira eine Hand aus und strich ihr mit kalten Fingern über die Wange. »Das werde ich tun, Kind. Und ich werde für uns alle sprechen.«
Dathne wirkte so verloren, so mutlos, als sie ihnen vom vorderen Tor aus zum Abschied nachwinkte, dass Matt Veira beinahe gebeten hätte, ihre Meinung noch einmal zu überdenken und sie doch mitkommen zu lassen.
Aber nur beinahe. Denn in Wahrheit war er froh darüber, dass sie nicht mitkam, sondern sicher im Herzen des Schwarzen Waldes zurückblieb, wo ihr nichts zustoßen konnte, falls dieser verrückte Plan zu Ashers Rettung doch scheiterte – was höchstwahrscheinlich der Fall sein würde. Gleichermaßen tief versunken in Decken und Schweigen, saß Veira neben ihm auf dem Bock des kleinen Wagens. Sie hatte ihm die Zügel überlassen. Bessie, ein gutmütiges Tier, schien es recht zufrieden zu sein, sich in die Dunkelheit hinauszuwagen. Das Fahren kostete praktisch keine Mühe; ein gelegentliches Zungenschnalzen und Klatschen mit den Zügeln genügte, um sie die verlassene Straße entlang traben zu lassen. Er bedauerte diesen Umstand. Wenn er sich mehr auf das Fahren hätte konzentrieren müssen, hätte er weniger Zeit gehabt, um über Dinge nachzudenken, von denen er lieber nichts wissen wollte. Veira hatte die Einzelheiten dieser Reise noch immer nicht preisgegeben. Sie hatte lediglich gesagt, dass sie ohne Pause reisen würden, bis sie Dorana erreichten. Sie würden unterwegs lediglich jemanden vom Zirkel auflesen. Jemanden, bei dem er, wie er vermutete, keine Chance haben würde, ihn gründlicher kennen zu lernen.
Es war nur eins von vielen Dingen, über die er nicht nachdenken wollte. Langsam und stetig bezwangen sie Meile um Meile. Die Nacht wurde kälter, während sich der Sonnenaufgang näherte, und er legte sich eine zusätzliche Decke um die Schultern. Er hielt auch die Zügel nur in einer Hand, sodass er die andere unter der Achsel wärmen konnte, und wechselte die Hände von Zeit zu Zeit.
Schließlich kam der Morgen. Veira holte etwas zu essen aus dem Korb. Sie hatten inzwischen einen großen Teil der Schwarzwaldstraße hinter sich gebracht. Jetzt weideten zu beiden Seiten des Weges Schafe, und Kaninchen mit weißen Schwänzen huschten umher. Davon abgesehen waren sie jedoch nach wie vor noch keiner Menschenseele begegnet. Veira schickte ihn auf die Ladefläche des Wagens, um sich auszustrecken und zu schlafen. Nur allzu glücklich, ihr zu gehorchen, legte er sich nieder, hüllte sich in die Decken und versank in einen traumlosen Schlummer.
Kurze Zeit später weckte sie ihn, und er richtete sich auf, steif und gähnend. Sie machten lange genug Halt, um abwechselnd hinter einigen Büschen zu verschwinden, noch ein wenig zu essen und dem Pony eine kurze Rast zu erlauben, dann setzten sie ihre Reise fort.
Es war fast zehn Uhr, als sie die Kreuzung mit der Weststraße erreichten, wo geduldig ein Mann stand, der die Augen mit der Hand beschattete und in ihre Richtung blickte. Zuerst dachte Matt lächerlicherweise, es sei Asher, und seine Hände krampften sich fester um die Zügel.
Veira, die mit halb geschlossenen Augen dösend neben ihm saß, klopfte ihm aufs Knie und sagte: »Nein. Er ist es nicht. Aber vom Aussehen her könnte er es sein.« Er nickte, überwältigt von plötzlicher Übelkeit. Langsam ahnte er, worauf es bei dieser Rettung hinauslief. »Und das ist der Grund, warum du ihn erwählt hast?« »Die Prophezeiung hat ihn erwählt, Matthias. Nicht ich.« Veira seufzte. »Gefriert dir manchmal das Blut, wenn du darüber nachdenkst? Dass wir in ernsten Schwierigkeiten stecken und eine Art Wunder brauchen – und hier ist ein junger Mann, der
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