König 02 - Königsmacher
dachte er:
Versinken soll er auf den Meeresgrund.
Er selbst war drauf und dran, der Hauptstadt den Rücken zu kehren, nicht wahr? Wann würde er eine weitere Gelegenheit bekommen, Gars Vater in einigen Dingen den Kopf zurechtzurücken? »Er ist kein Krüppel, Eure Majestät«, wiederholte er, und diesmal erinnerte er sich an seine guten Manieren. Er schlug einen gemäßigten Tonfall an und gab sich geziemend unterwürfig. »Ich weiß, es gibt Leute, die ihn für einen Krüppel halten.
Er
hält sich für einen. Aber er ist es nicht. Er ist ein guter Mann, der hart arbeitet für Euch und alle anderen in Lur. Ich schätze, er würde sich für dieses Königreich töten, wenn er glaubte, dass er damit etwas Gutes bewirken könnte.«
»Das weiß ich«, sagte der König leise. »Er ist mein Sohn. Glaubt Ihr, ich wüsste das nicht?«
Asher hob hilflos die Hände. »Nun, dann…?«
»Dann, Asher, mögt Ihr sagen, er sei kein Krüppel. Und hier, in der Abgeschiedenheit meines Schlafgemaches, kann ich es ebenfalls sagen. Aber die Wahrheit bleibt, dass er ohne Magie geboren wurde. Und ein Dorane ohne Magie ist kein wahrer Dorane, geradeso wie ein Vogel ohne Flügel kein wahrer Vogel ist.
Falls
Ihr akzeptiert, dass die grundlegende Eigenschaft von Vögeln in ihrer Fähigkeit zu fliegen liegt. Tut Ihr das?«
Asher starrte auf den Teppich hinab. »Jawohl«, murmelte er. »Aber ich schätze trotzdem, dass es nicht gerecht ist.«
»Ihr sagt, es sei nicht gerecht?
Ihr
sagt das? Er ist aus
meinem
Samen hervorgegangen, Asher! Er ist die Frucht
meiner
Lenden. Und doch sitzt Ihr da und sagt, dass
Ihr
es nicht für gerecht haltet?«
»So ein Blödsinn!«, gab Asher zurück. »Es ist ebenso wenig Eure Schuld wie die von Gar, Eure Majestät. Niemand trägt die Schuld daran. Es ist einfach passiert. Und wer etwas anderes sagt oder auch nur denkt, könnte geradeso gut weiteres Wasser auf die Mühlen von Conroyd Jarralt gießen. Und welcher verdammte Narr würde das tun wollen, hm?«
Vor Anstrengung ächzend richtete Borne sich in seinen vielen Kissen höher auf. Seine Lippen zuckten. »Nun, gewiss nicht dieser verdammte Narr.«
Asher bettete den Kopf in die Hände. »Entschuldigung, Eure Majestät. Es tut mir leid. Ich bin so sehr an Gar gewöhnt - wir schreien und streiten und beschimpfen einander -, und ich
vergesse …«
Der König strich ihm begütigend übers Knie. »Gar hat mir einmal erzählt, dass er von all Euren Eigenschaften Eure Aufrichtigkeit am meisten schätze. Er sagte, er könne Euch vertrauen, wie er niemand anderem vertraut, und Ihr würdet ihm immer die Wahrheit sagen. Ob er sie nun gerade hören will oder nicht.« Asher hob langsam den Kopf. In den Augen des Königs stand ein freundlicher Ausdruck, und ein Lächeln umspielte seine Lippen. »Ich sehe keinen Sinn darin, ihm etwas anderes zu sagen, Eure Majestät.«
Das Lächeln verblasste. »Kann ich darauf vertrauen, dass Ihr auch mir immer die Wahrheit sagen werdet?« »Selbstverständlich, Herr.«
Borne sackte ein wenig in sich zusammen und ließ den Kopf in die Kissen sinken. »Er hat mir auch erzählt, dass Ihr vorhättet, nicht länger als ein Jahr in der Stadt zu bleiben. Dass Ihr für die Zeit danach Pläne hättet.«
Asher nickte mit trockenem Mund. »Jawohl. Das habe ich gesagt.«
»Aber es ist inzwischen mehr als ein Jahr vergangen, und Ihr seid immer noch hier. Habt Ihr Eure Pläne geändert?«
Es war hart, aber er zwang sich, dem König direkt in die Augen zu sehen. »Nein, Eure Majestät. Tatsächlich habe ich erst heute Morgen darüber nachgedacht. Dass ich in den nächsten Tagen Vorbereitungen treffen muss, um nach Restharven zurückzukehren.«
Borne starrte auf seine fahlen Hände. »Was kann ich sagen, was kann ich tun, damit Ihr Eure Meinung ändert? Es muss doch irgendetwas geben, das Ihr wollt…«
»Ich will nichts, Eure Majestät. Ich will nur nach Hause.«
Der König wandte den müden Blick ab und erwiderte: »Ich könnte Euch befehlen zu bleiben.«
Ashers Herz tat einen Satz. Er ignorierte es. »Jawohl, Herr. Das könntet Ihr.«
»Ich verstehe nicht.« Borne schaute wieder auf. »Seid Ihr unglücklich hier? Hat man Euch schlecht behandelt? Entsprechen Eure Pflichten als Vizetribun nicht länger Eurem Geschmack?«
»Nein, Eure Majestät. Meine Arbeit gefällt mir gut. Mir gefällt alles an meinem Leben hier. Und das ist die Wahrheit.«
»Warum wollt Ihr dann fortgehen? Ihr müsst doch wissen, dass es Gar unglücklich machen wird!
Weitere Kostenlose Bücher