König 02 - Königsmacher
würde es tun, wenn sie es tun musste, aber es ergab keinen Sinn. Ashers Platz war im Haus des Usurpators. Im Turm, im Palast. Er gehörte nicht an die Küste, nicht mehr. Restharven war seine Vergangenheit, nicht seine Zukunft.
Sie schloss die Augen und blickte in jenen verborgenen Teil ihrer Selbst, der sie ihr Leben lang geführt hatte, der sie beherrscht und hierhergebracht hatte, an diesen Ort, in diese Zeit, in diesen schrecklichen Augenblick…
Lass ihn gehen. Er wird zurückkommen.
Hinter ihnen erklang eine zögernde Stimme: »He! Was geht hier vor?« Matt. Sie drehte sich um, die Augen weit aufgerissen, und wünschte sich sehnlichst, dass er in die Gans zurückkehren würde. »Nichts.«
Asher sagte: »Ich gehe fort.«
»Jetzt schon? Du bist doch gerade erst hergekommen. Weshalb die Eile? Da drin steht nämlich ein Fass Bier, auf das dein Name geschrieben ist.«
»Ich meine, ich verlasse die Stadt«, sagte Asher, und seine Miene war kalt und reserviert. »Ich gehe nach Hause.«
Matt starrte ihn entsetzt an. Mit drei schnellen Schritten war er bei ihnen und fragte: »Für
immer?
Nein, das kannst du nicht tun. Asher, du darfst nicht fortgehen. Dathne,
erklär
es ihm, erklär ihm, dass er…«
Sie bohrte die Fingerspitzen so heftig in seinen Arm, dass er zusammenzuckte. »Es ist sein Leben, Matt. Seine Entscheidung. Es gibt nichts, was ich sagen kann, das etwas verändern würde.« Sie sah wieder zu Asher hinüber und brachte ein Lächeln zustande. »Es tut mir leid. Wirklich.«
Er lächelte nicht zurück, sondern drehte sich auf dem Absatz um und ging davon.
»Dathnel«,
rief Matt aufbrausend. »Was tust du? Lauf ihm nach! Sag es ihm!« Sie blickte die Straße hinauf, wo Ashers Schatten langsam kleiner wurde. Spürte das Wissen in sich, die Gewissheit, den Kummer, der noch kommen würde, und schüttelte langsam den Kopf. »Es ist noch nicht an der Zeit.«
Matt schaute schnell über die Schulter, um sich davon zu überzeugen, dass sie allein waren, dann deutete er anklagend mit einem vernarbten Finger auf die schimmernden Berge und senkte die Stimme zu einem schneidenden Flüstern. »Ich bin anderer Meinung. Diese verdammte Zauberermauer ist alles, was zwischen uns und dem Chaos steht, Dathne. Wenn sie fällt, wenn über uns hereinbricht, was immer jenseits dieser Berge wartet, wird Asher unsere einzige Hoffnung sein. Er
muss
es wissen.«
»Und er wird es erfahren«, erwiderte sie gelassen. »Aber noch nicht heute.«
»Wirklich? Und das sagst du, obwohl er für immer fortgeht? Dathne, du irrst dich. Er muss es wissen. Und wenn du es ihm nicht erzählst, werde ich es tun.« Verwegen in seiner Furcht, drehte er sich um und stapfte die sanft ansteigende, gepflasterte Straße hinauf.
O Matt. Lieber Matt. Oft blind und manchmal töricht. Sie hob die Stimme und rief ihm in barschem Ton nach.
»Nein.«
Er blieb stehen, wie sie gewusst hatte, dass er es tun würde, und wartete auf sie. »Er denkt, dass er für immer fortgeht, Matt, aber er tut es nicht«, erklärte sie ihm. »Was er will, ist nicht wichtig. Er wird zurückkommen.«
Matts innere Aufruhr spiegelte sich in seinen Zügen wider. »Wer sagt das? Dathne, die Buchhändlerin? Oder Jervals Erbin?«
»Wir beide«, erwiderte sie leise und selbstsicher, ohne sich die Kränkung anmerken zu lassen. »Matt, vertrau mir einfach, ja? Er wird zurückkommen.«
»Vertrauen.«
Matt fuhr sich mit den Fingern durch das kurz geschorene Haar. »Das ist ein einziges kleines Wort für eine große Sache, Dathne. Früher oder später werden wir
ihm
vertrauen müssen. Wir werden ihm die Wahrheit anvertrauen müssen, wir werden ihm uns anvertrauen müssen.« Er deutete mit dem Kinn, auf dem dunkle Bartstoppeln sprossen, auf die verlassene Straße, die zum Palast führte, zum Turm und zu Asher. »Wir werden ihm die Prophezeiung anvertrauen müssen.«
»Ja«, pflichtete sie ihm bei; sie wusste in ihren Knochen und in ihrem schmerzenden Herzen, dass er Recht hatte. »Aber noch nicht.«
»Noch nicht! Noch nicht!«, rief er in jähem Zorn und ballte die Fäuste. »Das sagst du immer wieder! Das sagst du jetzt seit einem Jahr, Dathne! Wir haben ihn ein ganzes verdammtes
Jahr
belogen! Wann wird das endlich aufhören? Wann wird aus ›noch nicht‹ endlich ›jetzt sofort‹ werden?«
Wenn sie weinte, würde nichts jemals wieder so sein wie zuvor. Sie ballte ihrerseits die Fäuste, und das Blut brannte in ihren Adern, während sie ihn anstarrte. Dann sagte sie
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