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König 02 - Königsmacher

König 02 - Königsmacher

Titel: König 02 - Königsmacher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Miller
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obwohl es keineswegs der Wahrheit entsprach. Obwohl bei der Erinnerung daran noch immer sein Blut gefror. Er wusste nach wie vor nicht, was schlimmer war: dass sie es hatte tun können oder dass er hatte so blind sein können, so dumm, ihr die Möglichkeit dazu zu geben. Sie war seine einzige Schwester. Er wünschte sich so sehr, sie zu lieben. Und obwohl er wusste, warum sie es ihm so schwer machte, gab es Zeiten, da fand er es beinahe unmöglich, sie zu lieben. Diesmal war es seine Mutter, die die Finger tröstend um seine Hand legte. »Liebling, ich…«
    Darran stapfte so heftig herbei, dass die Kieselsteine um seine Füße aufstoben, dann trat er abgehetzt und reizbar vor die unterste Stufe der gemeißelten Steintreppe.
    »Eure Majestät, Eure Hoheit, verzeiht mir bitte, aber ich muss Euch auf eine Katastrophe aufmerksam machen, eine Katastrophe von…«
    »Was gibt es, Darran?«, seufzte Gar.
    »Ich kann Willer nicht finden«, sagte Darran, der beinahe weinte. »Er ist nicht in der Kutsche, wo er sein sollte, er ist nicht in der Amtsstube, ich kann ihn nirgendwo auf dem Vorplatz oder in der Nachbarschaft entdecken, und…« Gar hob ungeduldig die Hand und unterbrach ihn mitten in seinem Redefluss. Er drehte sich um, ließ den Blick über den Vorplatz schweifen, und als er die Person entdeckte, nach der er gesucht hatte, hob er die Stimme. »Asher!«
    Asher brach die Befragung eines Stallknechtes ab und drängte Cygnet mit Knie und Ferse zur Seite. »Ja, Eure Hoheit?« Dann fügte er mit dem ersten Lächeln an diesem Tag hinzu: »Guten Morgen, Eure Majestät.«
    Die Königin lächelte zurück. »Und Euch auch, Asher.«
    »Weißt du, wo Willer ist?«, fragte Gar.
    »Sollte ich das wissen?« Asher deutete mit dem Kopf auf Darran. »Das ist doch seine Aufgabe, oder?«
    Gar gestattete sich ein bissiges Lächeln. »Und jetzt ist es deine. Finde ihn.« Asher zog die Brauen zusammen, dann machte er eine knappe, scharfe Verbeugung. »Ja, Herr.«
    »Vielen Dank, Herr«, bemerkte Darran, als Asher davonritt.
    Gar runzelte die Stirn. »Wenn Ihr Eure Leute besser im Auge hättet, Darran, gäbe es keinen Grund, Euch zu bedanken. Jetzt beeilt Euch. Ihr mögt mich exzentrisch nennen, aber ich würde gern vor Mittag aufbrechen. Heute.«
    »Ja, Eure Hoheit.« Darran verneigte sich. »Eure Majestät, Eure Hoheit.«
    Gar sah ihm einen Moment lang nach, dann blickte er zu seiner Mutter hinüber und zuckte mit den Schultern. »Ich weiß, ich sollte es mir nicht anmerken lassen, aber er geht mir auf die Nerven. Wenn ich nicht befürchten müsste, dass es einen Rückfall hervorrufen könnte, würde ich ihn hier in der Stadt lassen, mit der strengen Anweisung, Vater von vorne bis hinten zu bedienen, so wie er es immer getan hat.«
    Er erwartete eine kurze, nicht ganz unverdiente Lektion über die Wichtigkeit, beim Personal stets die Fassung zu wahren, aber stattdessen griff seine Mutter nach seinem Arm und zog ihn vier Schritte weg vom Vorplatz, dicht zu der blauen gebogenen Steinmauer des Turms. In ihren Augen stand ein Ausdruck, den er noch nie zuvor darin gesehen hatte.
    »Was?«, fragte er erschrocken. »Mama? Ist etwas… Ist Vater… « »Seht, Gar, und hör mir zu.« Ihre Stimme war leise und beharrlich, und ihre Finger lagen wie ein Schraubstock um seinen Arm. »Du machst Scherze, aber ich fürchte, ich kann nicht darüber lachen.«
    Er sah sie mit großen Augen an. »Was meinst du? Willst du damit sagen, dass Vater
tatsächlich
ein Rückfall droht? Durm hat gesagt… Pother Nix hat gesagt…«
    »Ich weiß, was sie gesagt haben, und sie haben Recht, auf ihre eigene begrenzte Art und Weise. Er erholt sich recht gut von dem Fieber. Aber, Gar, mein Lieber, die Situation ist komplizierter.«
    »Inwiefern?«
    Sie ließ seinen Arm los. »Die Wettermagie ist ein zweischneidiges Schwert, und wann immer man es schwingt, schneidet man sich ein wenig daran. Seit dem Tag, an dem er seinen ersten Regen heraufbeschworen hat, hat dein Vater Tropfen für Tropfen geblutet.«
    »Mama!«
Wären sie nicht in der Öffentlichkeit gewesen, hätte er ihr die Finger auf den Mund gedrückt. Er wollte das nicht hören. Nicht jetzt. Niemals. Sie hatte schon früher ihre Sorge zum Ausdruck gebracht, hatte sich geängstigt, dass die Pflichtergebenheit seines Vaters viele Male auf Kosten seiner Gesundheit ging, aber noch nie hatte sie etwas Derartiges gesagt. Noch nie hatte sie so trostlos oder mit solcher kalten Verzweiflung gesprochen. »Mama, warum…«

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