König 02 - Königsmacher
drückte eine Hand aufs Herz. »Mein feierliches Wort.« Was er halten würde, auf Sinken oder Schwimmen. Auf keinen Fall hatte er vor, diese fünfzig Trin die Woche zu verlieren.
»Gut«, sagte Gar mit einem knappen Lächeln. »Ich wusste, dass ich auf dich zählen kann.«
Sie eilten weiter, und fünf Minuten später erreichten sie den neuesten Bereich des Palastes, in dem Gars Familie lebte und arbeitete. Der reine, weiße Sandstein leuchtete in der Sonne wie frisch gefallener Schnee. Das Gebäude musste etwa zwölf Stockwerke hoch sein und war mit blauen und dunkelroten Dachpfannen gedeckt. In der Frontwand waren in regelmäßigen Abständen kunstvolle Buntglasfenster eingelassen. Ein prächtiger, großer, dick mit blauem und weißem Kies belegter Innenhof erstreckte sich vom Fuß der in das Gebäude führenden Sandsteintreppe und von den Terrassen bis hin zu dem gewundenen, laubgesäumten Fahrweg, über den man in die Stadt gelangte.
Seite an Seite liefen Asher und Gar die Treppe hinauf, vorbei an den Zeremonialwachen und in die königliche Residenz.
Das Innere des Palasts schockierte Asher so sehr, dass er stocksteif stehen blieb. Unvorstellbar hoch und breit und mit üppigen, strahlenden Buntglasfenstern ausgestattet, ließ es die Halle der Gerechtigkeit geradezu…
schlicht
wirken. Schnittblumen in Keramikvasen verliehen jeder Oberfläche Farbe und schenkten der kühlen Luft eine wunderbare Süße. Exquisit geschliffene Vögel aus Rosenquarz, Saphir, Rubin, Amethyst und Smaragd und in Gold gefasst standen auf indigoblauem Marmor zur Schau.
Zwei breite, blank polierte Wendeltreppen aus Holz erstreckten sich wie Arme von dem prächtigen Eingang aus nach rechts und links, als umarmten sie die Besucher, als lüden sie zu näherer Erkundung ein. Der Boden unter Ashers Füßen war ein Wirbel von winzigen, blauen, weißen, dunkelroten und goldenen Kacheln in Mustern, die sein Auge kaum zu erfassen vermochte. Die Wände waren in matten Gold- und Bronzestreifen tapeziert. Atemberaubende Ölgemälde, Porträts, die so lebensecht wirkten, dass er hätte schwören können, die darauf dargestellten Personen müssten atmen, hingen in Augenhöhe und heischten Bewunderung.
Er musste annehmen, dass es sich um Mitglieder der königlichen Familie handelte, denn dort war Gar, um Jahre jünger, die Arme um den Hals eines dicken, schwarzen Ponys gelegt. Ein Mann und eine Frau - der König und die Königin? Sie mussten es sein, denn das nächste Bild zeigte Prinzessin Fane, vielleicht sechs oder sieben Jahre alt, aber trotzdem wunderschön. Zwischen den mit großer Genauigkeit platzierten Rahmen ragten Bronzeleuchter aus der Wand hervor, und in ihnen brannte das gleiche eigenartige Licht, das ihm auch schon in der Halle der Gerechtigkeit aufgefallen war. Es waren Lampen, die weder Kerzen noch Öl brauchten.
»Glimmfeuer«, erklärte Gar. »Es ist magisch, weshalb du es im Türm nicht finden wirst.«
Asher hörte ihm kaum zu. »Da lass mich doch einer kentern«, flüsterte er. »Hier habt Ihr früher
gelebt?«
Ein freundliches Lachen ließ ihn nach rechts herumfahren. Ein hochgewachsener Dorane, hager und stolz, das Gesicht gezeichnet von tiefen Furchen der Erfahrung - oder des Schmerzes -, kam die Treppe herunter. Sein offizielles Bildnis hing nur wenige Schritte entfernt an der Wand. In Fleisch und Blut trat er jedoch schlichter gekleidet auf in einer dunkelblauen Seidenjacke und Hosen. Seine Augen waren grün wie die von Gar, aber älter. Gereift von Jahren und Bildern, die anderen Männern verborgen blieben. Ein tadellos gestutzter Bart rahmte ein starkes Kinn ein, und die Goldkrone kündete von seinem Rang. Das Emblem des Königshauses, ein Lichtblitz, den ein blankes Schwert kreuzte, war mit Goldfäden in die Spitzen seines Kragens gestickt.
Asher schluckte. Er hatte den König schon einmal gesehen, unten in Westjammer beim Fest der Meeresernte, aber dort hatte er selbst hinten in einer riesigen Menschenmenge gestanden. Gars Pa war für ihn dort kaum mehr gewesen als eine blonde Gestalt, die den vielen tausend Fischern wahllos zuwinkte. Aus der Nähe betrachtet, war er jedoch fleischgewordene Magie. Neben der Aura roher Macht, die ihn umgab, verblasste alles andere zu zweifelhafter Tünche.
Gar verneigte sich. »Eure Majestät. Guten Morgen.«
Irgendwie brachte Asher seine unzureichende Verbeugung zustande, ohne umzufallen. »Eure Majestät«, murmelte er.
»Ihr müsst Asher von Restharven sein. Mein Sohn hat in
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