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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Zockergeschäften an den Privatkunden gesundstoßen.
    Der Sachverständige Leschmann rechnete aus: Rund 70 000 Euro hatte die Bank von ihrem Kunden zu Unrecht kassiert. Nach seiner Einschätzung wäre es ohne diesen Zinsklau nicht zu den finanziellen Engpässen gekommen.
    Ein Blick in die Statistik der Bundesbank beweist: Bei sinkenden Referenzzinsen tun die meisten Banken nicht, was sie müssten: den Nachlass an ihre Kunden weitergeben. Allenfalls bekommen Kunden mit Kontokorrentkrediten einen Bruchteil weitergerecht. Den Rest stecken die Banken in die eigene Tasche – so wie der Nachbar beim Möbelkauf das überzählige Geld.
    Die Dimension dieser Gaunerei rechnet die Verbrauchzentrale Bremen vor: Allein in den 14 Monaten nach der Finanzkrise sind die Bankkunden durch Zinsklau um 1,2 Milliarden (!) Euro geprellt worden. 44
    Die Bankenaufsicht äußert regelmäßig ihr Bedauern über das Verhalten der Banken, greift aber nicht ein. Warum ist derselbe Staat, der jeden Bankräuber mit Dutzenden von Polizisten jagt, so zurückhaltend bei der Jagd auf räuberische Banken?
    Wer sein Geld von einer Bank zurück will, muss einen Sachver ständigen wie Leschmann einsetzen. Im Durchschnitt schlägt er 64 Prozent der zu Unrecht einbehaltenen Zinsen heraus. Deutlich weniger als hundert – deutlich mehr als nichts!
    Von Geldanlagen und Psychotricks
    Der große Online-Broker, über den ich meine Anlagegeschäfte abwickle, bringt mich regelmäßig zur Weißglut – durch seine Werbung: »4 % Zinsen für Ihr Tagesgeld!« Aber nicht für mich! Ich bekomme ein müdes Prozent; das Angebot richtet sich exklusiv an Neukunden. Der Eintags-Kunde, mit dem die Bank noch keinen Cent verdient hat, wird viermal so gut behandelt wie ich als langjähriger Kunde!
    Nachteil einer Online-Bank: Kein Berater gibt mir gute Tipps. Vorteil: Kein Berater gibt mir schlechte Tipps. Denn über viele Jahre wurden den Kunden der klassischen Banken ausgerechnet jene Berater als »unabhängig« verkauft, die am Provisionstropf der Finanzprodukte hingen, die sie selbst vermittelten. So mancher Banker hat nur auf seine Provision und nicht auf den Vorteil der Kunden geschaut.
    Unzählige Bankhäuser schwatzten ihren Kunden Zertifikate der US-Investmentbank Lehman Brothers auf. Als Lehman im September 2008 schon trudelte, wurde das Papier den Anlegern noch mit einer Selbstverständlichkeit empfohlen, als handelte es sich um ein krisensicheres Sparbuch.
    Den Weitblick eines Maulwurfs bewies zum Beispiel die Dresdner Bank. Noch drei Tage vor dem Lehman-Konkurs schwafelte das Geldhaus in einem internen Papier davon, es sehe »aktuell auf Basis der verfügbaren Informationen über die Bonitätseinstufung keinen Handlungsbedarf bei den Emissionen von Lehman Brothers oder anderen von uns aufgelegten Emissionen mit anderen Investmentbanken«. 45
    Eine sichere Sache, dachten 30 000 bis 50 000 deutsche Kunden, die das Papier kauften. Doch dann war ihr Geld über Nacht weg. Die Banken gaben zu, den Wegweiser in Richtung Abgrund gestellt, ihre Kunden auf die Zertifikate hingewiesen zu haben. Aber die Verantwortung wollten sie auf ihre Kunden abwälzen.
    Wer sein Geld zurück wollte, wurde von den Banken meist wie ein Bettler abgewiesen. Es sei denn, er fand einen Richter, der mit seinem Hammer den Anstand zurück in die Bankerköpfe klopfte – das gelang zum Beispiel einem früheren Lehrer in Hamburg. 46 Doch die große Mehrheit, Zehntausende von Anlegern, blieb auf ihren Verlusten sitzen oder wurde mit Mini-Entschädigungen abgespeist.
    Wenn all dies in Ihren Ohren so klingt, als kümmerten sich die Banken bei Anlagefragen nicht um die Gefühle ihrer Kunden – falsch! Die Banken sind durchaus an unserer Psyche interessiert. Wenn auch in anderer Hinsicht.
    Der Vorreiter sitzt im meiner Region: die Hamburger Sparkasse, kurz »Haspa« genannt. Eine Kundin war letzten Herbst über einen Vermerk in ihrer Kundenakte gestolpert. Warum wurde sie auf der dritten Seite, unter der Überschrift »Zielgruppe«, als »Hedonistin« bezeichnet – sprich als Mensch, der unbeschwert und vergnügungsorientiert lebt, wenn er nicht gar egoistisch und faul ist?
    Zwei Reporter des NDR gingen der Sache nach und stachen in ein Wespennest. 47 Die Haspa schulte ihre Berater seit drei Jahren auf ein neues Konzept: Sensus. Dabei handelte es sich um einen Verkaufsansatz, der Erkenntnisse der Hirnforschung fürs Geschäft nutzen will. Die Bankprodukte sollten vom Staub der Sachlichkeit befreit und

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