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Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde

Titel: Koenig Arsch - Mein Leben als Kunde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Wehrle
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Kundenfang geht der »N. A. Frucht Snack 100 % Frucht Erdbeere Softe Stückchen«. Die leckeren Erdbeerstücke, die mich auf der Verpackung zum Kauf verlocken, sind in Wirklichkeit gruselige Retortenfrüchte: Da wurden Apfelsaft, Apfelmus und Erdbeermus vermengt und in einem Labor – ähnlich wie bei Dr. Frankenstein – zu einer abenteuerlichen »Formfrucht« zusammengefügt. 50 Guten Appetit!
    Und das Molkegetränk »Müller Fructiv Mango Maracuja« täuscht mit seinen Verpackungs-Bildern exklusiven Genuss von Mango- und Maracujasaft vor. Dass es in erster Linie aus Orangensaft besteht, einem der billigsten Säfte, muss der dumme Verbraucher ja nicht schon auf der Abbildung sehen!
    Da werden (günstige) Äpfel mit Hilfe von Aroma und Zucker so bearbeitet, dass sie wie (teure) Himbeeren schmecken – und in einen Himbeerjoghurt eingeschmuggelt. Die Industrie weiß, dass von hundert Verbrauchern exakt hundert Verbraucher die leckeren Himbeeren auf der Verpackung wahrnehmen – dass aber kaum einer die gut getarnte Zutatenliste studiert.
    Als die Stiftung Warentest zwischen 2008 und 2010 749 Produktetiketten untersuchte, erwies sich über ein Viertel als Augenpulver. 51 Da wird »Basmatireis« verkauft, der frei von Reiskörnern ist. Der angebliche »Wildlachs« hat nie einen Fluss durchschwommen, sondern wurde in einer Fischzucht gemästet. Und der Rahmspinat ist eine rahmfreie Zone, mit dünner Milch versetzt.
    Wer sich angesichts dieser deprimierenden Tatsachen mit einem Vanilleeis trösten will, tappt in die nächste Falle: Auf den Packungen sind appetitliche Vanilleblüten und -schoten abgebildet. Doch mehr als jede dritte Packung schmückt sich zu Unrecht mit Natur: Das Eis ist mit künstlichem Vanillin versetzt. Eiskalter Schwindel.
    Die Lebensmittelindustrie geht noch weiter: Sie wagt es sogar, mir Luft als Nahrungsmittel zu verkaufen. Jawohl, Luft! Viele Packungen sind aufgepumpt, um Produktfülle vorzutäuschen, obwohl herzlich wenig drin ist. Die Verbraucherzentrale Hamburg hat bei einem Test einmal die Luft aus den Verpackungen gelassen: Von 37 Verdachtsproben verstießen 57 Prozent gegen die Gesetze. 52
    Während ich glaube, eine randvolle Grießbreipackung zu kaufen, ist die 16 Zentimeter hohe Packung nicht einmal zu einem Drittel mit Brei gefüllt. Bei vielen Schaumküssen zahle ich den halben Preis für überflüssige Luftfüllung. Und auch der große Sack mit den Fischfilets, die ich aus dem Kühlregal greife, schrumpft nach dem Öffnen zu einem schwach gefüllten Minibeutel zusammen.
    Manfred Bornholdt von der Eichdirektion Nord in Hamburg sagt: »Nach dem Eichgesetz darf eine Packung keine größere Füllmenge vortäuschen als tatsächlich darin enthalten ist.« 53 Gegen etliche Firmen, deren Packungen untersucht wurden, sind Bußgeldverfahren eingeleitet worden.
    DIE MÜNCHHAUSEN-PORTIONEN
    Lecker, »Garnelen in Backteig«! Die Packung der Marke Arktis weckt meinen Appetit. Das Foto auf der Vorderseite zeigt leicht gebräunte Garnelen im Teigmantel, locker über einen Teller verteilt; Salatblättchen sorgen für vitaminhaltige Farbtupfer. Und ein Schälchen mit weinroter Soße lädt zum Dippen ein.
    Vor allem: Der Genuss scheint federleicht. Eine »Portion« – so steht’s fett auf der Packung – hat nur »32 Kalorien«, gerade mal »1,6 % des empfohlenen täglichen Bedarfs«. Ich male mir aus, wie ich genussvoll eine Packung nach der anderen vertilge, ohne dass meine schlanke Linie leidet.
    Doch sind 32 Kalorien nicht unrealistisch wenig? Ich drehe die Packung um, kneife die Augen zusammen und finde schließ lich – diesmal nicht in Fettschrift – folgende Information: »1 Portion entspricht 1 Garnele (ca. 12 g) und 3 g Dip«. Wie bitte? Eine Mini-Garnele von 12 Gramm wird mir als »Portion« verkauft? Davon wird ja nicht mal ein Storch satt!
    Ein möglicher Grund für dieses Täuschungsmanöver: Die ummantelten Garnelen bringen es auf stolze 214 Kalorien (pro 100 Gramm). 14,3 Prozent Zucker sind in dem Produkt versteckt! Teigmantel und Dip verdoppeln den natürlichen Kaloriengehalt der Garnelen. Diese Tatsache soll offenbar durch die absurde Portionsangabe kaschiert werden.
    Der Portionstrick hat sich herumgesprochen. Ob bei Eis oder Schokolade, Keksen oder fettiger Wurst: Die Hersteller berechnen ihre Portionsgrößen nicht danach, was der durchschnittliche Kunde isst (oft die ganze Packung!), sondern danach, was als Kalorienzahl noch gut zu verkaufen ist. Von den 500 Kalorien einer

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