Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
Vom Netzwerk:
ungeheuer schnell und heulten in dem Moment, als sie uns sahen. Ohne zu zögern stürmten sie auf uns zu und streckten die Hände nach unseren Kehlen aus. Row ging zu Boden. Ich spießte den Toten auf, der es auf mich abgesehen hatte. Er schluckte meine Klinge, im wahrsten Sinne des Wortes, seine aufgeschnittenen Wangen
glitten zum Heft, während die Spitze nach Lunge und Magen tastete. Thomas vom Zirkus fiel mir ein.
    Dass mehr als ein Meter langer scharfer Stahl in seinen lebenswichtigen Organen steckte, schien meinen Widersacher nicht zu schwächen, nur zu erzürnen. Er riss mir fast das Schwert aus der Hand, als er danach trachtete, meine Kehle zu packen. Ich hielt fest, und er stieß mich durchs Schilf zurück. Fast auf allen vieren war er und sprang, als wollte er noch mehr vom Schwert aufnehmen. Wenn er imstande gewesen wäre, den Mund weiter zu öffnen, hätte er sicher auch das Heft und meine Hand verschlungen. Die »lebenswichtigen Organe« schienen ihren Namen zu Unrecht zu tragen.
    Der Tote bedrängte mich weiter und gurgelte dunkles Blut, als er mich zwang, zurückzuweichen. Unter mir ging der Schlick ins Wasser eines Tümpels über, der sich sofort anschickte, mich in die Tiefe zu saugen. Ich drehte die Klinge, schnitt Stücke aus Hals, Brust und Bauch des Angreifers. Seine Gedärme quollen hervor, und er fiel in den Tümpel, wobei seine Hände versuchten, mich zu erreichen und Halt an mir zu finden. Ich riss mich los, stieß das Schwert in festeren Boden, zog mich daran unter Aufbietung all meiner Kraft aus dem Tümpel und blieb keuchend auf dem Rücken liegen. Deutlich hörte ich das Heulen und Knurren der anderen Toten, und die Flüche der Brüder, als sie gegen sie kämpften. Um mich herum reichten Schilf und Rohr wie Urwaldriesen in die Höhe und schwankten leicht unter einem blauen Himmel.
    Als ich wieder zu Atem gekommen war und zur Lichtung zurückkehrte, war der Kampf vorbei.
    »Row ist tot.« Mit einer Handvoll Schilf strich Makin über einige Kratzer in der Wange, was die Verletzung nur schlimmer machte. Aber vielleicht wollte er, dass die Kratzer bluteten.
    »Ich habe ihn nie gemocht«, sagte ich. So etwas sagten wir auf der Straße, und in diesem Fall entsprach es der Wahrheit.
    »Sorg dafür, dass nichts übrig bleibt, mit dem Chella spielen kann«, wandte ich mich an Kent.
    Er machte sich daran, den ersten Angreifer zu köpfen. Jemand hatte ihm bereits die Arme abgeschlagen, und Schlamm füllte seinen Mund. Trotzdem bewegte sich das Geschöpf noch immer und starrte uns an.
    Als ich sah, wie sich Makin um seine Wunden kümmerte, klopfte ich mich ab. Manchmal dauert es Stunden, bis man eine Verletzung bemerkt, die man sich im Kampf geholt hat.
    »Mist«, sagte ich.
    »Was ist?« Makin sah auf.
    »Ich habe das Kästchen verloren.« Ich betastete noch einmal meine Hüfte, als könnte ich es beim ersten Mal übersehen haben.
    »Freu dich, dass du es los bist«, sagte Makin.
    Ich kehrte dorthin zurück, wo ich gegen den toten Schwertschlucker gekämpft hatte. Unterwegs suchte ich den Boden ab. Nichts. Schließlich erreichte ich den Tümpel.
    »Es ist darin versunken«, sagte ich.
    »Gut.« Makin war mir gefolgt.
    Ich wandte mich ab. Es fühlte sich nicht richtig an, es einfach zu verlieren. Es fühlte sich nach etwas an, das ich behalten sollte, das Teil von mir war.
    »Kent!«, rief ich. Er hielt mit hoch erhobener Axt inne, über Rows Leiche gebeugt.
    »Lass ihn«, sagte ich.
    Ich näherte mich und ging neben Row in die Hocke. Der Tod ist nicht hübsch, aus der Nähe gesehen. Der alte Kerl hatte seinen Darm entleert und stank noch schlimmer als zu Lebzeiten.
Die roten und rosaroten Fetzen seiner Kehle hingen übers Schlüsselbein; weißes Knorpelgewebe reichte zum dunklen Loch in seiner Lunge. Rotz und dunkles Blut liefen ihm aus der Nase, und die Augen waren unnatürlich weit nach links gedreht.
    »Ich bin noch nicht mit dir fertig, Bruder Row«, sagte ich.
    Ich nahm seine Hände. Es ist nicht unbedingt unangenehm, die Hände eines Toten zu berühren, aber mir lief es dabei kalt über den Rücken. Schlaff und reglos lag er da; die Schwielen an den Innenflächen seiner Hände kratzten mir über die Haut.
    »Was machst du?«, fragte Grumlow.
    »Ich habe eine Aufgabe für dich, Bruder Row«, sagte ich.
    Ich suchte nach ihm. Weit konnte er in diesen wenigen Minuten nicht gekommen sein. Ich fühlte das Pulsieren der Nekromantie in meiner unverheilten Brustwunde. Eine dunkle Hand schloss sich um

Weitere Kostenlose Bücher