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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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Mann, sondern eine Idee. Ich glaube, meine Streitmacht hatte diese Idee jetzt verstanden.
     
    Zusammen mit Makin suchte ich den Thronraum auf und rief dort nach meinen Tafelrittern, nach dem Roten Kent und nach Lord Jost, dem Hauptmann des Kontingents vom Hause Morrow.
    Lord Jost kam als letzter, mit einem weiteren Ritter und Miana. Königin Miana sollte ich sie wohl nennen. Sie trug noch ihr Hochzeitskleid, allerdings ohne Schleppe und Schleier, dafür aber einen perlenbesetzten Schal, der vor der Kälte schützte. Dass sie an meinem Kriegsrat teilnahm, schien Lord Jost mit Unbehagen zu erfüllen.
    »Meine Herren«, sagte ich. »Mylady.«
    Ich setzte mich auf den Thron. Besser gesagt, ich ließ mich darauf fallen. Die Beine freuten sich darüber, mein Gewicht nicht mehr tragen zu müssen. Ich hatte mehr Laufen und Klettern hinter mir, als mir lieb war; eine ganze Woche hätte ich schlafen können.
    »Wie viele Soldaten hast du getötet, und wie groß waren deine Verluste?«, fragte Miana. Die Männer hatten darauf gewartet, dass ich das Wort ergriff. Sie hielt das nicht für nötig. Ich hätte dieselbe Frage gestellt.
    »Der Feind hat etwa sechstausend Mann verloren, und wir zweihundert«, sagte ich.
    »Dreißig zu eins. Besser als die erforderlichen zwanzig zu
eins.« Zu hören, wie Miana mit hoher, süßer Stimme Tote gegeneinander aufrechnete … Es erschien mir nicht richtig.
    »Ja, aber es waren zweihundert meiner Besten, und ich habe alle Trümpfe ausgespielt.«
    »Und Kanzler Coddin ist nicht zurückgekehrt«, fügte Miana hinzu. Für ein so junges Mädchen war sie erstaunlich gut informiert.
    Bei diesen Worten fühlte ich einen seltsamen Schmerz. Erneut sah ich Coddin in dem Grab, das wir für ihn angelegt hatten. »Er ist sicherer als wir«, sagte ich. Wahrscheinlich würde er auch länger leben. Ein langsamer Tod.
    Ein Bediensteter näherte sich. Ich nahm einen Becher mit verdünntem Wein und einen Teller mit Brot und Ziegenkäse entgegen.
    »Und deine Pläne?«, fragte Miana.
    Ich schürzte die Lippen. »Wir müssen in Stein und Mörtel vertrauen und hoffen, dass in der Zeit, die wir durch sie gewinnen, das Schicksal beschließt, uns ein Lächeln zu schenken.« Der Wein schmeckte köstlich; nach nur einem Schluck wurde mir schwindelig.
    »Vielleicht schickt uns mein Schwiegervater Hilfe«, sagte Miana, ihr Lächeln schwach und viel zu alt für sie.
    »Etwas in der Art hoffe ich ebenfalls«, erwiderte ich.

    Bruder Rikes Kraft kommt nicht aus den dicken Muskeln an
seinen Knochen, sondern wächst aus seiner Fähigkeit, das
Unbelebte zu hassen.

39
Vier Jahre zuvor
    »Sie ist weg, ja?« Makin beschattete sich die Augen und blickte im Licht der aufgehenden Sonne über den Sumpf. Wir standen in rollendem Buschland, in dem hier und dort, an sandigen Stellen, gelbliche Felsen aufragten.
    »Das hoffe ich«, sagte ich. Ein Teil von mir wollte, dass Chella Zerstörung durch meine Hände fand, durch meine Berührung, aber vielleicht hatte sie im Sumpf bei den brennenden Toten ihr Ende gefunden. Ich hatte es nicht gefühlt, keine Genugtuung erfahren, doch der Tod meines Onkels hatte mich gelehrt, dass Rache weniger süß ist, als sie zu sein verspricht. Sie ist keine schmackhafte Mahlzeit, so sehr man sie auch zu genießen versucht.
    Zum ersten Mal seit hundert Jahren, wie es schien, ritten wir wieder. Rike stieg auf Rows Rotschimmel, denn sein eigenes Pferd hatte sich im Sumpf als zu schwer erwiesen. Kent und Makin ließen sich von ihren Rössern tragen. Ich bekam Grumlow als Passagier, denn wir waren die leichtesten der Brüder, und Brath war der kräftigste unserer Klepper.
    Der Gestank der Sümpfe folgte uns meilenweit. Schwarzer
Schlamm klebte an unserer Kleidung, wurde beim Trocknen grau und blätterte schließlich von uns ab. Beharrlicher als Schlamm und Gestank waren die Bilder von Chella, als die Flammen sie umzüngelten, und das Echo ihrer letzten Worte. Der Tote König kommt.
    Nach drei Tagen erreichten wir – erst durch Moorland und Heide, dann über vergessene Wege und schließlich über Straßen  – den freien Hafen Barlona. Rike klagte die ganze Zeit über seinen Sonnenbrand, bis ich ihn dazu überredete, Schweinescheiße auf die schlimmsten Stellen zu streichen. Aus irgendeinem Grund schien es zu helfen, obwohl das gar nicht meine Absicht gewesen war. Der Glaube kann sehr mächtig sein.
    Die alten Mauern flimmerten in der Sommerhitze, als wir uns näherten. Vor tausend Jahren mussten sie sehr

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