König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
Steinbock in See stach, machte ich einen letzten Spaziergang am Ufer und besuchte das Büro des Hafenmeisters, für eine Bestechung, die meinen Goldbeutel erheblich leichter machte. Im besten Fall würden die Brüder an Bord eines Schiffes gelangen, das sie an der Küste entlang nach Norden brachte und in einer unwichtigen Hafenstadt absetzte. Makin würde so sehr mit Kotzen beschäftigt sein, dass er gar nicht darauf achtete, auf welcher Seite des Schiffes sich das Land befand. Wenn das nicht klappte, sollte Makin verhaftet
und ein oder zwei Wochen festgehalten werden, lange genug, um meine Spur kalt werden zu lassen und ihm begreiflich zu machen: Wenn man von seinem König eine Anweisung bekam, so hielt man sich besser daran.
Ich mag das Meer. Selbst bei schwacher Dünung und mit klar erkennbarer Küste nur zehn Meilen steuerbord erinnert es mich an Berge in Bewegung. Ich mag die nautischen Ausdrücke. Spleiße dies, mach das fest. Wenn Lundist recht hat und wir alle wiedergeboren werden, so möchte ich bei meiner nächsten Runde durchs Leben Pirat sein. Alles am Ozean versetzt mich in eine gute Stimmung. Sein Geruch und Geschmack. Die Schreie der Möwen. Gott hat ihnen eine besondere Magie in die Kehlen gelegt. Kein Wunder, dass die Krähen sie töten wollen und die Raben unfreundlich zu ihnen sind.
Kapitän Nellis sah mich nicht gern auf dem Achterdeck, das behauptete er jedenfalls. Es kümmerte mich wenig. Ich verbrachte dort viel Zeit und ließ die Beine durch die Reling baumeln, mit Nellis hinter mir, klein am großen Rad. Er hätte es festbinden können, so wenig wie er es bewegte, aber es schien ihm zu gefallen, das Rad zu halten, während er seinen Männern Befehle zurief. Soweit ich das feststellen konnte, steuerte er sie ebenso wenig wie das Schiff. Seine Flüche und Anweisungen strichen einfach über die Matrosen hinweg, und sie gingen ihrer Arbeit nach, ohne darauf zu achten.
»Eines Tages kaufe ich mir ein Schiff«, sagte ich.
»Klar.« Kapitän Nellis spuckte etwas Dickes und Unangenehmes aufs Deck. Ohne Männer wie ihn und Row müssten Schiffsdecks vielleicht gar nicht geschrubbt werden.
»Ein großes. Keinen Kahn wie diesen. Ein Schiff, das die Wellen durchschneidet und sich nicht in ihnen suhlt.«
»Ein junger Söldner wie du sollte sich höhere Ziele setzen«, knurrte Nellis. »Kauf dir eine ganze Flotte.«
»Guter Hinweis, Kapitän. Ein sehr guter Hinweis. Wenn mein Königreich jemals eine Küste bekommt, kaufe ich eine Flotte. Und eins der Schiffe werde ich Spuckende Nellis nennen.«
Und so, für den Rest des Tages und den größten Teil des nächsten, suhlte sich die Steinbock ruhig vor der Küste und machte einmal Halt in einem kleinen Hafen, um dort einen großen Kupfertopf zu entladen und Fische an Bord zu nehmen, die aussahen, als hätten sie rote Federn. Sie hießen … Rotfedern. Die Nacht verbrachte ich unter Deck in einer Hängematte, von sanften Wellen geschaukelt, und ich träumte von absolut gar nichts. Ich kann Hängematten bei Reisen auf See empfehlen. An Land scheinen sie kaum Sinn zu haben. Und man schlafe auf dem Deck, wenn es möglich ist. In der stickigen Hitze ihres Frachtraums dünstete die Steinbock einen ihrem Namen angemessenen Tiergeruch aus.
Die Burg meines Großvaters heißt Morrow. Man hat von ihr einen weiten Blick übers Meer: Sie steht so nahe am Rand einer hohen Klippe wie ein tapferes Kind, aber nicht so nahe wie ein dummes. Eine gewisse Eleganz ist ihr zu eigen, mit ihren hohen, schlanken Türmen und den gut gedeckten Dächern – gegen die Stürme vom Meer hatte diese Burg längere und grimmigere Kämpfe zu bestehen als gegen irgendwelche von Land kommenden Heere.
Die Hafenstadt Arrapa liegt nur zwei Meilen nördlich der Burg Morrow, und dort ging ich von Bord, wobei ich mir einen Spaß daraus machte, Nellis zu verunsichern, indem ich mich überschwänglich für seine Dienste bedankte. Ich überließ es den Matrosen, die Rotfedern und Kisten mit Sätteln
für Wennith zu entladen. Warum die Fischer von Arrapa ihre Rotfedern nicht selbst fangen konnten, blieb mir verborgen.
Ein gut gepflegter Weg führt vom Hafen zur Burg Morrow. Ich ging, genoss den Sonnenschein und lehnte das Angebot eines Mannes ab, mich auf seinem Holzkohlekarren mitzunehmen.
»Es wird steil«, sagte er.
»Steil ist gut«, erwiderte ich, und er trieb seinen Maulesel an.
Ich wollte inkognito zur Burg Morrow, ich wollte es so sehr, dass ich Makin lieber in eine Zelle werfen
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