König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
spricht Lord Malas gut von ihm, und seine Medizin wirkt.
26. Juni, Jahr 102 Interregnum
Ich habe den träumenden Orrin gefunden! Seinen Traum, ein goldenes Etwas aus vielen Schichten, konnte ich nicht erreichen, aber mir scheint, er hat Sageous’ Versuchen widerstanden, ihn zu kontrollieren. Vielleicht hatte er recht mit dem Hinweis, dass er es ist, der die Fäden in der Hand hält. Doch es beunruhigt mich, dass ich ausgesperrt bleibe. Vielleicht ist es eine vom Heiden geschaffene Barriere, oder eine Verteidigung, mit der sich Orrin schützt, ein geistiger Wall, vom Bewusstsein geformt, oder vielleicht eine natürliche Widerstandskraft Beeinflussung gegenüber.
Jorg hat mich mit Dornen und Blitzen ausgesperrt, und bei Orrin ist es eine ruhige, schlichte Weigerung. Ich hoffe, er hat Sageous zu Olidan Ankrath in der Hohen Burg zurückgeschickt.
12. Juli, Jahr 102 Interregnum
Pfeil. Grünitpalast. Ballsaal.
Dieser Palast existiert seit fast zwei Jahren, und noch hat niemand im Ballsaal getanzt. Orrin würde mir zuliebe einen Ball veranstalten, seine Lords und Ladys mit ihren prächtigen Kutschen zum Palast kommen lassen. Hunderte würden kommen, in Satin und Seide. Er würde mit der präzisen Eleganz tanzen, die seine Lehrer erstaunte, sich um mich kümmern und die Musiker loben. Und die ganze Zeit über würde ich wissen, dass sich hinter seinen Augen größere Gedanken bewegen, Pläne, Philosophien, zu schreibende Briefe. Und wenn die letzten Gäste stockbetrunken in ihren Kutschen liegend die Heimreise antreten, würde Orrin in der Bibliothek sitzen und in einem dicken Buch Notizen an den Rand schreiben.
Egan hat mir von den Feierlichkeiten aus Anlass der Einnahme von Orlanths letzter Burg geschrieben. Ich sage, dass der Brief von Egan stammt, aber ich habe seine Handschrift nie zuvor gesehen. Es würde mich überraschen, wenn er jemals zuvor einen Brief geschrieben hat. Vielleicht hat ein Schreiber für ihn geschrieben, denn die Zeichen stammen von geübter Hand. Doch die Stimme gehört Egan. Er schrieb:
Katherine, uns gehört Orlanth von den westlichen Ebenen bis hin zu den Ken-Sümpfen. Orrin plant jetzt sein Vorgehen bei Baron Kennick. Er will politisch sein, ein Angebot machen, das Ego des alten Mannes streicheln. Wir sollten keine Zeit
verlieren, einfach durch das Land marschieren und seine Asche hinter uns zurücklassen.
Orrin hat mich zur Burg Traliegh in Conaught geschickt, die sich mitten im Nichts erhebt. Nach den Exzessen von East Haven macht er sich Sorgen um mich und meint, ich brauche Ruhe.
Ich brauche Ruhe ebenso sehr wie Gift. Was ich brauche, ist Härtung in der Esse des Krieges, damit ich abends in traumlosen Schlaf sinken kann.
Conaught ist ein verwunschener Ort. Ich träume dort viele Träume. Ich starre an die Wände und fürchte die Nacht. Obwohl ich auch von dir träume. Es sind keine guten Träume.
Ich weiß nicht, was ich tun soll. Orrin will nichts Schlechtes über seinen Bruder hören. Ich habe es mehrmals erlebt. Irgendwie findet er immer eine Möglichkeit, Egans Taten als verzeihbar zu sehen.
Ich habe nie etwas getan, das Egan in seiner Leidenschaft – in seiner Besessenheit – ermutigen könnte. Von Anfang an habe ich Orrin vorgezogen. Wenn mir etwas Wildes lieber gewesen wäre, hätte ich Jorg von Ankrath ein Lächeln schenken können. Ach, mit welcher Kreatur wäre ich dann verbunden gewesen!
Orrin sollte Egan fortschicken, ihm eine Burg an einer umstrittenen Grenze geben, einen Krieg, der ihn beschäftigt hält. Es kann nicht sein, dass er seinen Bruder ständig an seiner Seite braucht. Eine einzelne Klinge, so geschickt sie auch sein mag, kann bei einer Schlacht nicht den Ausschlag geben.
18. Juli, Jahr 102 Interregnum
Ich habe im Traumland nach Egan gesucht, aber er bleibt mir verborgen. Die Mitteilungen, die ich ihm schicke, bleiben unbeantwortet. Ich weiß nicht einmal, ob die Reiter Orrins Heer erreichen. Berichten zufolge nähert er sich dem Hochland von Renar. Ein Teil von mir fragt sich, ob Sageous Jorg Ankraths Werkzeug ist. Setzt er den Diener seines Vaters gegen meinen Ehemann ein?
28. Oktober, Jahr 102 Interregnum
Ich habe Egans Träume gefunden, aber sie waren dunkel und mir verschlossen. Ich fühlte das Werk des Heiden und mache mir Sorgen über seine Pläne. Hat sich herausgestellt, dass Orrin zu schwer zu lenken ist? Egan wäre leichter, wie ein Stier, der sich beim Winken eines Tuchs hierhin und dorthin
Weitere Kostenlose Bücher