König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
wendet. Ich könnte verrückt werden, dass ich hier in diesem Palast festsitze, während sich alle wichtigen Dinge dreihundert Meilen entfernt abspielen.
29. Oktober, Jahr 102 Interregnum
Noch immer keine Nachricht von Orrin oder Egan, aber in Berichten heißt es, dass Zehntausende kampfbereite Männer marschieren, alle in Richtung Hochland, und dass Jorg von Ankrath mit weniger als einem Zwanzigstel dieser Streitmacht in seiner Burg sitzt.
Trotzdem bleibe ich in Sorge. Sie gilt Orrin, obwohl er stark, klug, geduldig und weise ist. Sie gilt auch Egan, trotz des Feuers in ihm, und seines überragenden Geschicks im Kampf.
Denn ich erinnere mich an Jorg von Ankrath und seinen Blick, an die Narben, die er trägt, und an das Echo seiner Taten, das noch immer durchs Traumland hallt. Ich erinnere mich an ihn und wäre selbst dann besorgt, wenn Orrin zehnmal so viele Soldaten hätte und Jorg ganz allein wäre.
1. November, Jahr 102 Interregnum
Ich habe einen Traum geschaffen, ein Ding aus Licht und Schatten, und ihn tanzend in den Kopf von Marcus Gohal gesetzt, den Hauptmann der Palastwache. Er machte es ihm einfacher, mir nachzugeben und eine ausreichend große bewaffnete Gruppe zusammenzustellen, die mich auf dem Weg zu meinem Gemahl begleiten soll. Seine Bedenken habe ich ihn vergessen lassen. Er nickte, schlug die Hacken in der Art der Männer von Ankrath aneinander und versammelte vierhundert Lanzenreiter, die mich nach Süden eskortieren sollen.
Wir brachen früh auf, bevor das Morgengrauen die Schatten vom Himmel stahl, und ritten ruhig und langsam. Der Atem der Pferde bildete kleine Wolken, und die Blätter der Bäume waren golden und scharlachrot, als das erste Licht des Tages sie erreichte.
Und ich fühlte mich beobachtet, als ob jemand weit oben mir große Aufmerksamkeit schenkte.
Ich vermisse Bruder Gog. Es gibt kein lästigeres Geräusch als
das Geschnatter eines Kindes, doch wie traurig ist die Stille,
die Kinder hinterlassen, wenn sie gehen.
48
Hochzeitstag
»Das ist Wahnsinn, Jorg. Gott hat den Fürsten von Pfeil dazu ausersehen, hinter einem Schwert zu stehen. Das sagen alle über ihn. Er ist nicht wie andere Männer, nicht mit einer Klinge in der Hand. Er ist kein Mensch.« Makin stand jetzt vor dem Thron, als wollte er mir den Weg versperren.
»Und es wird sich herausstellen, dass er auch geboren wurde, um hinter einem Schwert zu sterben«, sagte ich.
»Ich habe ihn kämpfen sehen.« Makin schüttelte den Kopf. »Ich hoffe, du hast etwas im Ärmel, Jorg.«
»Natürlich«, sagte ich.
Ein Teil der Anspannung wich aus Makins Schultern. Onkel Robert lächelte.
»Den besten verdammten Schwertarm der ganzen Geschichte habe ich in meinem Ärmel.«
Sofort begann der Protest, ein ganzer Chor, als hätte sich mein Hof mit verärgerten Gänsen gefüllt.
»Meine Herren!« Ich stand vom Thron auf. »Euer Mangel an Vertrauen bestürzt mich. Und ihr möchtet bestimmt nicht, dass ich bestürzt bin. Wenn der Fürst von Pfeil meine Herausforderung
annimmt, werde ich ihm zu einem Duell gegenübertreten und den Sieg erringen.«
Ich schob mich an Makin vorbei. »Ihr!« Ich zeigte auf einen zufällig ausgewählten Ritter. »Holt mir einen Herold.« Ich war einigermaßen sicher, einen Herold zu haben. Ich drehte den Kopf und sah Makin in die Augen. »Ich habe dir doch erzählt, dass ich gegen Schwertmeister Shimon gekämpft habe, nicht wahr?«
»Tausendmal.« Makin seufzte und sah zu Lord Robert.
»Shimon meinte, dass du gut bist, Jorg«, sagte Onkel Robert. »Einer der besten, die er in vierzig Jahren gesehen hat.«
»Na bitte!«, rief ich. »Habt ihr gehört?«
»Aber zwei Jahre vorher war er Orrin von Pfeil begegnet und hielt ihn für den besseren Schwertkämpfer. Und Orrins Bruder Egan soll noch ein ganzes Stück besser sein als er.«
»Ich war vierzehn! Jetzt bin ich ein Mann. Ganz erwachsen. Makin hier kann ich mit einem Stuhlbein besiegen. Vertraut mir. Ich schicke den Fürsten von Pfeil blutüberströmt zu Boden, noch bevor er mein Schwert sieht.«
Meine Ungezwungenheit war zum Teil gespielt. Ich würde gegen den Fürsten kämpfen. Sieg oder Niederlage, Chance oder keine Chance. Der Wahnsinn, den Sageous in mir gepflanzt hatte, war verbrannt, und ich wollte es darauf ankommen lassen, so gering die Erfolgsaussichten auch sein mochten. Andererseits … Ich hatte meinen Bruder getötet. Flammen konnten diese Schuld nicht tilgen. Ich würde sie mit mir aufs Schlachtfeld tragen, und
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