Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
Vom Netzwerk:
gefallen.«
    Die anderen gingen, ließen Taproot und mich allein zurück. Über den Schreibtisch hinweg musterten wir uns im schwachen Licht der durch die Zeltplanen scheinenden Sonne.
    »Ein Prinz, Jorg? Schau an!« Taproot lächelte, und eine Sichel aus Zähnen erschien in seinem schmalen Gesicht. »Und jetzt ein König?«
    »Ich hätte mir auch dann einen Thron schaffen können, wenn ich dem Schoß einer anderen Frau entschlüpft wäre«, sagte ich. »Als Sohn eines Tischlers, im Stall geboren, hätte ich mir einen aus Holz geschnitzt.«
    »Daran zweifle ich nicht.« Wieder das Lächeln, eine Mischung aus Wärme und Berechnung. »Erinnerst du dich an unsere Zeiten, Jorg?«
    Ja, ich erinnerte mich daran. Fröhliche Tage sind auf der Straße selten. Und jene Tage, die wir zusammen mit den Leuten vom Zirkus unterwegs gewesen waren, hatten für einen zwölfjährigen Jungen einen goldenen Glanz.
    »Der Fürst von Pfeil«, sagte ich. »Erzähl mir von ihm.«
    »Ein großer Mann, dem Vernehmen nach«, erwiderte Taproot. Er drückte die Fingerspitzen aneinander und hob sie an die Lippen.
    »Und deinem Vernehmen nach?«, fragte ich. »Du bist ihm doch sicher begegnet, oder?«
    »Ich bin allen begegnet, Jorg«, sagte Taproot. »Das weißt du. Schau an.«
    Ich hatte nicht gewusst, dass ich Taproot mochte.
    »Selbst deinen Vater habe ich kennengelernt«, sagte er.
    Ich bin, was diese Dinge betrifft, selten unsicher, aber Taproot mit seinem »Schau an« und seinen sprechenden Händen, mit einem ganzen Leben wie eine große Vorstellung und mit seinen Geheimnissen? Es ist schwer, einen Mann zu durchschauen, der so viel durchschaut. »Der Fürst von Pfeil«, sagte ich.
    »Er ist ein guter Mann«, antwortete Taproot schließlich. »Er meint, was er sagt, und was er sagt, ist gut.«
    »Die Welt verspeist gute Männer zum Frühstück«, sagte ich.
    »Vielleicht.« Taproot zuckte die Schultern. »Aber der Fürst ist ein Denker, ein Planer. Und er hat Geld. Die florentinischen Bankclans mögen ihn. Frieden ist gut fürs Geschäft. Er bereitet sich vor. Die Moore fielen an ihn, bevor der Winter kam, und bald werden ihm weitere Throne gehören. Schau an. In einigen Jahren steht er vor unseren Toren, wenn ihn niemand aufhält. Und auch vor den Toren deines Vaters.«
    »Soll er sich zuerst Ankrath vornehmen«, sagte ich und überlegte, wie mein Vater auf diesen »guten Mann« reagieren würde.
»Sein Bruder«, sagte Taproot. »Egan?«
    Taproot wusste Bescheid. Er wollte nur wissen, ob ich es ebenfalls wusste. Ich beobachtete ihn. Wozu er mich immer wieder aufforderte.
    »Sein Bruder ist ein Killer. Ein Schwertkämpfer wie aus einer der Legenden, und böse und gemein. Ein Jahr jünger als Orrin, und das wird er immer sein, dem Himmel sei Dank. Noch etwas Absinth?«
    »Und wie viel Unterstützung hat der Gute Fürst bei den Hundert?« Ich winkte die Flasche fort. Bei Taproot brauchte man einen klaren Kopf.
    »Oh, sie würden ihn alle für einen halben Florin umbringen«, sagte Taproot.
    »Natürlich.«
    »Aber er ist gnädig, und das kann eine mächtige Sache sein.« Taproot strich sich über die Brust, als erhoffte er sich selbst ein bisschen von dieser Gnade. »Es gibt keinen adligen Herrn dort draußen, der nicht weiß: Wenn er seine Tore für Pfeil öffnet, behält er nicht nur seinen Kopf, sondern auch einen großen Teil dessen, was sich hinter den Toren befindet. Bei der nächsten Kongression könnten seine Freunde dafür stimmen, dass er den Kaiserthron bekommt. Und wenn er so weitermacht wie bisher, bekommt er den Thron bei der übernächsten Kongression.«
    »Ein schlauer Plan«, sagte ich. Gnade als Waffe.
    »Mehr als das, schau an.« Taproot trank und leckte sich die Zähne. »So ist er. Und er braucht nicht mehr viele Siege, bis mehr Tore für ihn offenstehen als geschlossen bleiben.« Im Anschluss an diese Worte richtete er einen dunklen, durchtriebenen Blick auf mich. »Werden deine Tore offen oder geschlossen sein, Jorg von Ankrath?«
    »Wir werden sehen, nicht?« Ich strich mit einem feuchten Finger über den Rand des Glases und ließ es singen. »Ich bin zu jung, um den Ehrgeiz einfach so aufzugeben, oder?« Außerdem bedeutete ein offenes Tor manchmal nur, dass sie gehen sollten. »Was ist mit den anderen?«
    »Mit den anderen?« Taproots unschuldiger Blick war ein Kunstwerk, über die Jahre perfektioniert.
    Ich beobachtete ihn. Taproot behielt seine Maske der Unschuld auf. Ich kratzte mich am Ohr und wartete, ohne den

Weitere Kostenlose Bücher