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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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erreichten wir einen annähernd runden Raum, von dem aus der Tunnel
weiter nach oben führte, aber fast so steil wurde wie draußen der Hang. Der flackernde Schein der Flammen gab dem Ort Erinnerungen an die Kathedrale von Shartres, und unsere Schatten strichen zu beiden Seiten über glatten Fels.
    »Plato suchte eine solche Höhle auf«, sagte ich. »Und dort sah er die ganze Welt an den Wänden.«
    »Wie bitte?«, fragte Sindri.
    Ich schüttelte den Kopf. »Seht ihr hier?« Ich deutete auf eine Mulde in der nahen Wand. Sie sah aus, als hätte ein Riese seinen Daumen in weichen Lehm gedrückt und einen Abdruck hinterlassen.
    »Was ist das?«, fragte Gog.
    »Ich weiß nicht«, sagte ich. Aber es sah vertraut aus, wie ein Loch in einem Flussbett.
    Ich lief durch den Raum zum steilen Tunnel und blieb im Tunnelzugang stehen. Menschen bauten derartige Tunnel ebenso wenig wie Trolle, Grendell-Leute, Kobolde oder Geister. Die Luft war fast unbewegt, aber nur fast: Ich spürte, wie sie ganz langsam an mir vorbeistrich. Kalte Luft. Sehr kalt.
    »Jorg«, sagte Row.
    »Ich denke nach«, erwiderte ich, ohne zurückzusehen.
    »Jorg«, sagte er erneut.
    Daraufhin drehte ich mich um. In dem Tunnel, durch den wir gekommen waren, standen zwei Trolle. Ich nenne sie Trolle, weil sie wie die Trolle in meiner Phantasie aussahen, nicht wie die Felsbrocken, die die Dänen in der Landschaft aufstellten. Es waren hagere, gefährliche Geschöpfe, mit dunkel gefleckter Haut und Muskeln wie Knoten in einem Seil, verteilt in langen Gliedern, die in schwarzen Klauen endeten. Sie standen geduckt, weshalb ihre Größe kaum zu beurteilen war, aber ich schätzte sie auf gut zweieinhalb Meter. Sie bewegten
sich schnell und zielstrebig und blieben dabei dicht an den steinernen Wänden.
    »Warte mit dem Pfeil«, sagte ich zu Row. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sich solche Geschöpfe von einem Pfeil aufhalten ließen, es sei denn, er bohrte sich in den Hals oder ins Auge.
    Ich hätte sie Ungeheuer genannt, Leucrota, Absonderlichkeiten wie Gorgoth, aber es waren zwei. Ein Paar ist kein Zufall, sondern spricht von einem Plan.
    »Hallo«, sagte ich. Es klang dumm, eine dünne Stimme in dem großen Raum, aber mir fiel nichts anderes ein, und auf einen Kampf legte ich es nicht an. Der einzige Trost bestand darin, dass die Blicke der beiden schwarzen Augenpaare nicht mir galten, sondern Gorgoth.
    »Kannst du sie nicht hören?«, fragte Gorgoth.
    »Nein«, sagte ich.
    Der linke Troll sprang vor, einfach so, ohne ein warnendes Knurren. Er warf sich Gorgoth entgegen und schlug nach seinem Gesicht. Gorgoth packte den Troll an den Handgelenken und hielt ihn fest. Beide Ungeheuer standen da, blockierten sich gegenseitig, beugten sich vor, spannten die Muskeln und zitterten. Der Troll begann zu keuchen. Gorgoth grollte. Seit dem Aufhalten des Tors der Spukburg hatte ich nicht mehr gesehen, wie er sich anstrengte. Sei es Fässer abladen oder Felsen aus dem Weg räumen, nichts brachte Gorgoth zum Schwitzen.
    Row hob erneut seinen Bogen, und auch diesmal legte ich ihm die Hand auf den Arm. »Warte.«
    Sie hielten sich gegenseitig, rangen mit aller Kraft gegeneinander. Gelegentlich bewegte sich kurz ein Fuß. Die Krallen des Trolls kratzten über Felsgestein und hinterließen tiefe Rillen darin. Gorgoths Zehen waren gespreizt, stützten ihn ab.
Muskeln gegen Muskeln, Knochen knarrten, Speichel tanzte auf den Lippen, als beide Kontrahenten schwer atmeten. Die Sekunden dehnten sich, bis es Minuten zu sein schienen. Ich spürte, wie sich mir die eigenen Fingernägel in den Handballen bohrten, und die Knöchel am Schwertgriff traten weiß hervor. Gleich musste etwas, jemand nachgeben. Plötzlich fiel der Troll, und nach einem Moment der Stille brüllte Gorgoth, so laut, dass es mir in der Brust schmerzte und Rows Nase blutete.
    Gorgoth holte tief Luft. »Sie werden dienen«, sagte er.
    »Was?«, erwiderte ich. »Warum?«
    Der Troll auf dem Boden rollte herum, stand auf und wich zu seinem Artgenossen zurück.
    »Es sind Soldaten«, sagte Gorgoth. »Sie wollen dienen. Dafür wurden sie geschaffen.«
    »Geschaffen?«, fragte ich und behielt die Trolle im Auge, zur Verteidigung bereit.
    »Es steht in ihrer Denas geschrieben«, erklärte Gorgoth.
    »Wer hat es dort geschrieben? Ferrakind?«
    »Vor langer Zeit«, sagte Gorgoth. »Sie sind ein Volk. Ich weiß nicht, wann sie verändert wurden.«
    »Die Erbauer haben sie gemacht?«, fragte ich.
    »Vielleicht zu ihrer Zeit,

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