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König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

König der Dunkelheit: Roman (German Edition)

Titel: König der Dunkelheit: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark Lawrence
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der Ziege bestätigen kann. Ich habe keine Zeit für Horoskope, in denen ich als Ziege erscheine. Und es ist mir völlig gleich, wie alt die Zivilisationen sind, von denen solche Wahrsagereien stammen.«
    Ekatri griff nach der Flasche, schüttelte sie kurz und stellte sie wieder ab. »Das Auge darin sieht in andere Welten«, sagte sie, als hätte ich gar nicht gesprochen.
    »Das ist gut, nehme ich an«, erwiderte ich.
    Sie hob eine Hand zu ihrem lebenden Auge. »Dieses sieht ebenfalls in andere Welten. Und es hat einen klareren Blick.« Sie holte einen Lederbeutel unter ihren stinkenden Lumpen hervor und legte ihn neben die Flasche. »Runensteine«, erklärte
sie. »Wenn du nach Osten reitest und über den großen Wall kletterst, bist du vielleicht eine Ziege. Hier im Norden erzählen die Runen deine Geschichte.«
    Ich erinnerte mich wieder an mein Versprechen und gab keinen Ton von mir. Entweder erzählte sie mir von meiner Zukunft, oder sie tat es nicht. Und was sie mir ohne Fragen sagte, entsprach vielleicht der Wahrheit.
    Ekatri entnahm dem Beutel einige graue Steine und ließ sie klacken. »Honorous Jorg Ankrath.« Sie hauchte meinen Namen in die Steine und ließ sie dann fallen. Sie schienen eine Ewigkeit zu brauchen, um den Boden zu erreichen. Jeder von ihnen drehte sich langsam, von einer Seite zur anderen, wobei die Runen über sie wanderten, verschwanden und wieder erschienen. Und dann schlugen sie auf, schwer wie Ambosse. Ich fühle die Erschütterungen selbst jetzt noch; sie hallen in meinen Knochen wider.
    »Die Perth-Rune, Beginn «, sagte die Hexe. »Thurisaz, Uruz, Kraft.« Sie stieß diese Runen beiseite, als wären sie nicht weiter wichtig, und drehte eine andere. »Wunjo, Freude , nach unten. Und hier Kano, die Rune der Eröffnung .«
    Ich legte einen Finger auf Thurisaz, und die Völva schnappte nach Luft. Sie schnitt eine finstere Miene und schlug mir auf die Hand, damit ich sie wegnahm. Der Stein war kalt, ihre Hand noch kälter, die Haut dünn wie Papier. Den Namen der Rune hatte sie nicht in der Sprache des Reiches genannt, aber ich kannte die alte Sprache des Nordens aus Lundists Büchern.
    »Die Dornen«, sagte ich.
    Ekatri schlug erneut, und ich zog die Hand fort. Ihre Finger strichen schnell über die anderen und zählten. Dann nahm sie die Steine und gab sie zu den anderen im Beutel. »Es befinden sich Pfeile vor dir«, sagte sie.
    »Werden sie mich töten?«
    »Du wirst glücklich leben, wenn du den Pfeil nicht brichst.« Die Hexe nahm die Flasche, blickte in ihr eigenes Auge und schauderte. »Öffne deine Tore.« In der anderen Hand hielt sie den Wunjo-Stein, als hätte sie ihn nicht gerade in den Beutel gelegt. Freude . Sie drehte ihn, sodass die leere Seite nach oben zeigte. »Oder auch nicht.«
    »Was ist mit Ferrakind?«, fragte ich. An Pfeilen war ich nicht interessiert.
    »Er!« Ekatri spuckte etwas Dunkles in ihre Felle. »Geh nicht dorthin. Das solltest selbst du wissen, Jorg, mit deinem finsteren Herzen und deinem leeren Kopf. Geh nicht in die Nähe jenes Mannes. Er brennt.«
    »Wie viele Steine hast du in dem Beutel, Alte?«, fragte ich. »Zwanzig? Fünfundzwanzig?«
    »Vierundzwanzig«, sagte sie und legte eine Klaue auf den Beutel. Die Finger bluteten noch immer.
    »Das sind nicht viele Worte, um die Geschichte vom Leben eines Mannes zu erzählen«, sagte ich.
    »Das Leben eines Mannes ist eine einfache Sache«, gab Ekatri zurück.
    Ich fühlte ihre Hände an mir, obwohl eine auf dem Beutel lag und die andere das gläserne Gefäß hielt. Ich fühlte, wie sie zwickten und drückten, wie sie in mich krochen und in meinen Erinnerungen suchten. »Hör auf«, sagte ich und ließ den Nekromanten in mir aufsteigen, scharf und ätzend in meiner Kehle. Die toten Dinge um uns herum bewegten sich. Eine getrocknete Pfote zuckte, und die dunklen Windungen menschlicher Gedärme knisterten, als sie sich wie eine Schlange wanden.
    »Wie du willst.« Wieder huschte die rosarote Zunge über die Lippen, und die Hände wichen aus mir.
    »Warum bist du hierhergekommen, Ekatri?«, fragte ich. Es überraschte mich, dass ich ihren Namen nannte. Normalerweise behalte ich keine Namen. Vielleicht deshalb, weil mich die Leute nicht interessieren.
    Ihr Auge starrte mich an, als sähe sie mich jetzt zum ersten Mal. »Als ich jung war, jung genug, um begehrenswert für dich zu sein, Jorg von Ankrath, o ja … Als ich jung war, wurden die Runen für mich geworfen. Vierundzwanzig Worte genügen nicht, um

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