König der Dunkelheit: Roman (German Edition)
das ganze Leben einer Frau zu erzählen, erst recht nicht, wenn eins davon an einen Jungen vergeudet wird, auf den sie so lange gewartet hat, dass sie zur Greisin geworden ist. Ich habe dich hierher gerufen, weil es mir vor langer Zeit bestimmt war, noch bevor sich deine Großeltern trafen.«
Sie spuckte erneut, diesmal auf den Boden.
»Du gefällst mir nicht, Junge«, sagte sie. »Du bist zu … bissig. Du benutzt deinen Zauber wie eine Klinge, aber mit Bezaubern kommt man bei alten Hexen nicht weit. Wir sehen bis zum Kern, und dein Kern ist verfault. Wenn es dort noch etwas Anständiges gibt, so ist es tiefer begraben, als ich suchen möchte, und wird vermutlich bald sterben. Aber ich bin gekommen, weil die Runen für mich geworfen wurden, und sie forderten mich auf, sie auch für dich zu werfen.«
»Geschwätz von einer alten Schachtel, die riecht, als wäre sie schon seit zehn Jahren tot«, sagte ich und mochte es nicht, wie sie mich ansah, mit dem einen Auge. Aber indem ich sie beleidigte, fühlte ich mich nicht besser, sondern wie ein Vierzehnjähriger. Ich rief mir ins Gedächtnis, dass ich mich König nannte, und zwang die Finger fort vom Dolch an meiner Hüfte. »Warum sollten deine Runen dich schicken, damit du mich ärgerst, Alte, wenn es für mich keine Chance gibt? Wenn ich verloren bin?«
Sie zuckte die Schultern, was ihre Lumpen in Bewegung brachte. »Es gibt für jeden Hoffnung. Ein bisschen. Die Hoffnung eines Narren. Selbst ein Mann mit einem Pfeil im Bauch hat eines Narren Hoffnung.«
Bei diesen Worten war mir danach, zu spucken, aber königliche Spucke hätte diesen Ort vermutlich verbessert. Außerdem können Hexen selbst mit ein wenig Rot oder Schleim und vielleicht dem einen oder anderen Haar viel Unheil anrichten. Ich stand auf und deutete eine knappe Verbeugung an. »Das Frühstück wartet auf mich, wenn ich meinen Appetit wiederfinde.«
»Wer mit Feuer spielt, verbrennt sich«, sagte sie. Es war fast ein Flüstern.
»Verdienst du dir deinen Lebensunterhalt mit banalen Worten?« , fragte ich.
»Steh nicht vor dem Pfeil«, sagte sie.
»Ein guter Rat.« Ich wich zum Ausgang zurück.
»Der Fürst von Pfeil wird den Thron nehmen«, sagte Ekatri und verzog dabei das Gesicht, als bereitete es ihr Schmerzen, diese Worte zu sprechen. »Die Weisen wussten es schon vor der Geburt des Vaters deines Vaters. So viel hat Skilfar gesagt, als sie meine Runen warf.«
»Ich bin nie ein Freund der Wahrsagerei gewesen.« Ich griff nach der Zeltplane und strich sie beiseite.
»Warum bleibst du nicht?« Die Hexe klopfte auf die Felle an ihrer Seite, und wieder zeigte sich kurz die Zunge. »Es könnte dir gefallen.« Und für einen Herzschlag saß Katherine dort, im saphirblauen Satin des Gewands, das sie an jenem Abend in ihrem Gemach getragen hatte. Als ich sie geschlagen hatte.
Daraufhin lief ich los. Ich hetzte durch den Regen, gefolgt von Ektaris Lachen, und mit meinem Mut weit vor mir. Der Appetit kehrte nicht fürs Frühstück zurück.
Während die anderen aßen, saß ich in den Schatten beim kalten Kain und wippte auf meinem Stuhl. Makin kam, in der Faust einen Knochen mit kaltem Hammelfleisch, grau und fettig. »Was Interessantes entdeckt?«, fragte er.
Ich antwortete nicht, öffnete aber die Hand. Thurisaz, die Dornen. Es ist nicht sehr schwer, eine einäugige Frau zu bestehlen. Der Stein fraß die Schatten und gab nichts zurück, zeigte eine einzelne Rune. Die Dornen. Vergangenheit und Zukunft lagen in meiner Hand.
20
Vier Jahre zuvor
Makin kennt einen besonderen Zauber, den er bei Menschen anwendet. Wenn er auch nur eine halbe Stunde in ihrer Gesellschaft verbringt, mögen sie ihn. Er muss dafür nichts Besonderes tun. Er verwendet offenbar keine Tricks, scheint sich nicht einmal anzustrengen. Jedes Mal verhält er sich ein wenig anders, immer mit dem gleichen Ergebnis. Er ist ein Mörder, ein harter Mann, und in schlimmer Gesellschaft scheut er nicht vor schlimmen Dingen zurück, aber nach einer halben Stunde möchte man sein Freund sein.
»Guten Morgen, Herzog Maladon«, sagte ich, als mich seine Axtkämpfer in den großen Saal führten.
Ich strich mir den Regen aus dem Haar. Makin saß auf einem Stuhl eine Stufe unter dem Podium des Herzogs. Er hatte Maladon gerade einen Krug gereicht und trank Bier aus seinem eigenen, als ich näher trat. Man hätte glauben können, dass sie seit zehn Jahren jeden Morgen auf diese Weise beisammen saßen.
»König Jorg«, sagte der Herzog. Das
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