Koenig der Murgos
halbe murgosische Armee verfolgte?«
»Fünfzehn oder zwanzig Jahre, meine Lady.« Er trat näher ans Feuer.
»Ich bedauerte es, als ich hörte, daß Ihr die Stadt verlassen habt. Ihr seid nicht gerade ein schöner Mann, aber Ihr versteht zu unterhalten, und im Haus von Taur Urgas gab es nicht viel Unterhaltung.«
»Ihr beabsichtigt doch nicht, meine Identität bekanntzu-geben?« fragte er vorsichtig.
»Warum sollte ich?« Sie zuckte die Schultern. »Murgosinnen beschäftigen sich nicht mit den Angelegenheiten der Männer.
Im Lauf der Jahrhunderte haben wir erkannt, daß es so besser ist.«
»Ihr seid also nicht erzürnt, meine Lady?« fragte Garion.
»Ich meine, weil Fürst Kheldar versehentlich Taur Urgas' ältesten Sohn tötete?«
»Das hatte nichts mit mir zu tun. Dieser Sohn war das Kind von Taur Urgas' Hauptfrau – ein unerträgliches, zahnloses Weib aus dem Hause Gorut. Sie rieb uns immer wieder die Tatsache unter die Nase, daß sie den Thronerben geboren habe und daß sie uns andere alle erwürgen ließe, sobald er den Thron bestieg.«
»Es ist eine große Erleichterung für mich, daß Ihr diesem jungen Mann nicht sehr zugetan wart«, sagte Silk.
»Zugetan? Er war ein Ungeheuer – genau wie sein Vater.
Als kleiner Junge vergnügte er sich damit, lebende Hündchen in kochendes Wasser zu werfen. Ohne ihn ist die Welt besser dran.«
»Ich leiste der Allgemeinheit gern solche kleinen Dienste«, erklärte Silk nun. »Ich finde, das ist die Pflicht eines Edelmannes.«
»Sagtest du nicht, sein Tod wäre unbeabsichtigt gewesen?«
warf Garion ein.
»Nun ja, gewissermaßen. Ich versuchte, ihm den Dolch in den Bauch zu stechen – das ist vielleicht schmerzhaft, führt jedoch selten zum Tod – , aber er schlug gegen meinen Arm, als ich den Hieb führte, und irgendwie drang die Klinge direkt in sein Herz.«
»Wie bedauerlich«, murmelte Tamazin. »Ich an Eurer Statt wäre hier im Drojim sehr vorsichtig, Kheldar. Von mir habt Ihr ganz gewiß nichts zu befürchten, doch Oskatat, der Seneschall, kennt Euch ebenfalls von früher, und er würde es vermutlich als seine Pflicht erachten, Eure Identität aufzudecken.«
»Das dachte ich mir bereits, meine Lady. Ich werde mich vor ihm hüten.«
»Erzählt mir nun, wie es Eurem Vater geht, Fürst Kheldar.«
Silk seufzte. »Er starb bedauerlicherweise schon vor vielen Jahren – völlig unerwartet.«
Zufällig blickte Garion in diesem Moment der Königinmutter ins Gesicht, und so bemerkte er das Leid, das ihre schönen Züge zeichnete. Sie fing sich jedoch rasch, nur die un-geweinten Tränen in ihren Augen ließen sich nicht so schnell verheimlichen. »Ah«, sagte sie leise. »Das tut mir leid, Kheldar. Es trifft mich tiefer, als Ihr ahnt. Ich mochte Euren Vater sehr. Die Erinnerung an die Monate, die er in Rak Goska verbrachte, zählt zu den schönsten in meinem Leben.«
Um nicht ertappt zu werden, wie er sie anstarrte, drehte Garion den Kopf, dabei fiel sein Blick nunmehr auf Sammet, deren Gesicht nachdenklich wirkte. Sie erwiderte seinen Blick, und ihre Augen drückten sehr viel aus, einschließlich einiger unbeantworteter Fragen.
14
Klar und kalt dämmerte der nächste Morgen. Garion stand am Fenster seines Gemachs und blickte über die Schieferdächer von Rak Urga. Die gedrungenen Häuser schienen sich aus Angst vor dem grellbunten Drojimpalast an einem und dem schwarzen Toraktempel am anderen Stadtende zu ducken und zusammenzukauern. Rauch aus Hunderten von Schornsteinen stieg kerzengerade zum Himmel auf.
»Bedrückend, nicht wahr?« stellte Silk fest, als er mit dem grünen Umhang, achtlos um eine Schulter geworfen, herein-kam.
Garion nickte. »Man könnte fast meinen, daß man die" Stadt mit voller Absicht so trostlos machte.«
»Es entspricht der inneren Einstellung der Murgos. Übrigens, Urgit möchte uns wieder sprechen.« Auf Garions fra-genden Blick antwortete der kleine Mann: »Ich glaube nicht, daß es um irgend etwas Wesentliches geht. Er ist wahrscheinlich bloß ausgehungert nach anregender Unterhaltung. Ich könnte mir vorstellen, daß Gespräche mit Murgos auf die Dauer recht langweilig sind.«
Die ganze Schar stiefelte hinter dem Gardisten her, der sie zu demselben Raum brachte, in dem der König sie schon am Tag zuvor empfangen hatte. Er saß in einem Sessel am Feuer, mit einem Bein über der Armlehne, und hielt einen halb abgenagten Hühnerschenkel in der Hand. »Guten Morgen, meine Herren«, begrüßte er. »Bitte setzt Euch.«
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