Koenig der Murgos
auf die traurige Königin. »Gut«, sagte er.
Etwa eine halbe Meile weiter gelangten sie zu den Ruinen einer seit endloser Zeit aufgegebenen Stadt, die halb in den dichten Dschungelpflanzen begraben lag. Bäume wuchsen aus den einstigen Prachtstraßen, und Kletterpflanzen rankten die leeren Türme hoch.
»Hier konnte man leben«, meinte Durnik, der seinen Blick über die Ruinen schweifen ließ. »Warum haben die Leute sie wohl aufgegeben?«
»Dafür kämen verschiedene Gründe in Frage, Durnik«, sagte Polgara. »Eine Seuche, Politik, Krieg – vielleicht auch nur eine Laune.«
»Laune?« Er blinzelte sie verwirrt an.
»Hier ist Nyissa«, erinnerte sie ihn. »Salmissra ist hier Königin, und ihre Herrschaft ist die absoluteste auf der ganzen Welt. Vielleicht kam sie irgendwann einmal hierher und befahl den Bewohnern, die Stadt zu verlassen. Und wenn, dann taten sie es auch.«
Durnik schüttelte mißbilligend den Kopf. »Das ist schlimm!«
»Ja, Liebes«, bestätigte sie. »Ich weiß.«
Sie schlugen ihr Lager in den Ruinen auf und ritten am nächsten Morgen weiter südostwärts. Je tiefer sie in den nyissanischen Dschungel kamen, desto höher wuchsen die Bäume und desto gewaltiger waren ihre Stämme. Das Unterholz wurde dichter, und der üble Geruch von sumpfigem Wasser war allgegenwärtig. Dann, kurz vor Mittag, brachte eine plötzliche Brise einen anderen Geruch mit sich. Er war so süß, daß Garion fast schwindelig wurde.
»Was ist das für ein herrlicher Duft?« fragte Sammet, und ihre braunen Augen wurden weich.
In diesem Moment kamen sie um eine Biegung, und vor ihnen, am Straßenrand, stand der schönste Baum, den Garion je gesehen hatte. Seine Blätter schimmerten golden, und tiefrote Lianen baumelten von seinen Ästen. Blüte an Blüte, in Rot und Blau und leuchtendem Lavendel, bedeckte ihn, dazwischen hingen Trauben glänzender praller Früchte. Eine überwältigende Sehnsucht erfüllte ihn beim Anblick und Duft dieses wundervollen Baumes.
Sammet hatte Garion bereits überholt und ritt mit verträumtem Lächeln auf den Baum zu.
»Liselle!« Polgaras Stimme kam wie Peitschenknall. »Halt sofort an!«
»Aber…« Sammets Stimme zitterte vor Verlangen.
»Keinen Schritt weiter!« warnte Polgara. »Du befindest dich in schrecklicher Gefahr!«
»Gefahr?« rief Garion. »Es ist doch nur ein Baum, Tante Pol.«
»Kommt alle mit mir!« befahl sie. »Haltet die Zügel ganz fest und begebt euch ja nicht auch nur in die Nähe des Baums!« Im Schritt ritt sie langsam weiter und hielt die Zügel mit beiden Händen.
»Was ist denn los, Pol?« fragte Durnik.
»Ich dachte, man hätte sie ausgerottet«, murmelte sie und blickte voll Haß auf den herrlichen Baum.
»Aber…«, protestierte Sammet erneut. »Warum sollte jemand etwas so Wundervolles ausrotten wollen?«
»Weil er Beute fängt!«
»Polgara, das ist doch bloß ein Baum!« rief Silk verwirrt.
»Bäume fangen keine Beute!«
»Dieser schon. Eine seiner Früchte nur zu kosten, führt den sofortigen Tod herbei. Und die Berührung seiner Blüten lähmt jeden Muskel im Körper. Seht doch!« Sie deutete auf etwas, das im hohen Gras unter dem Baum lag. Garion erkannte, daß es das Skelett eines sehr großen Tieres war. Mehrere der roten Ranken, die von den blütenbedeckten Ästen hingen, hatten ihren Weg in den Brustkorb des Tieres gefunden und sich mit den moosüberzogenen Knochen verwoben.
»Schaut nicht auf den Baum!« mahnte Polgara. »Denkt nicht an die Früchte, und bemüht euch, seinen Blütenduft nicht zu tief einzuatmen. Der Baum versucht euch in die Reichweite seiner Ranken zu locken. Reitet weiter und blickt nicht zu-rück.« Sie zügelte ihr Pferd.
»Kommst du denn nicht mit?« fragte Durnik besorgt.
»Ich hole euch schon ein. Doch zuerst muß ich mich mit dieser Monstrosität beschäftigen.«
»Tut, was sie sagt!« brummte Belgarath. »Reiten wir weiter.«
Als sie an dem wunderschönen, tödlichen Baum vor-
überkamen, verspürte Garion bitterste Enttäuschung, und während sie auf der Straße weitertrotteten, war ihm, als vernehme er einen Schrei der Wut. Unwillkürlich schaute er flüchtig über die Schulter und staunte, als er sah, daß die roten Ranken sich wanden und wild um sich peitschten. Da hörte er, wie Ce'Nedra heftig würgte.
»Was hast du?« rief er erschrocken.
»Der Baum!« keuchte sie. »Es ist grauenvoll! Er nährt sich von der Qual und den Schmerzen seiner Opfer nicht weniger als von ihrem Fleisch!«
Sie bogen
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