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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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in der Luft. Es hat die Form eines Menschen. Es wirkt irgendwie wie ein heller Schatten.“
    Eleanor war beeindruckt. Bislang hatte sie nichts erkennen können und nun war selbst Michael hellsichtiger als sie selbst. Ein unangenehmes Gefühl ergriff Besitz von ihr. War sie etwa neidisch?
    „Ich glaube sie will das Haus verlassen“, stellte Raphael fest.
    „Sagtest du nicht, Geister tun so etwas nicht?“, fragte Michael irritiert.
    „Es ist zumindest sehr ungewöhnlich.“
    Ohne sein unsichtbares Ziel aus den Augen zu lassen, setzte Raphael sich in Bewegung und ging auf den Kutschenvorbau zu. Er lief nun einen leichten Bogen um Elizabeth abzufangen, die den Vorbau mittlerweile passiert haben musste und nun über den Rasen ging. Dort, etwas zehn Meter vor dem Gebäude holten sie Elizabeth schließlich ein.
    „Elizabeth! Was tust du hier?“, fragte Raphael.
    Die dunklen Wolkentürme erhoben sich nun schon fast direkt über ihren Köpfen. Es musste jeden Moment zu regnen beginnen. Ein kühler, ungemütlicher Wind fegte durch den Park und ließ die Blätter an den Bäumen rauschen. Erst jetzt, da es zunehmend dunkler wurde, glaubte auch Eleanor den hellen Geisterschatten Elizabeths sehen zu können. Zumindest konnte sie ihre Freundin jetzt zweifelsfrei spüren. Das vertraute Gefühl von Angst und Verzweiflung tobte in Eleanor und ein kurzer Blick zu Michael verriet ihr, dass auch er mit diesen Emotionen zu kämpfen hatte.
    „Die Stimme. Sie ruft uns“, erklang Elizabeth. „Sie hat gesagt, wir sollen uns eintreffen. Es beginnt heute Nacht.“
    Ein eiskaltes Grauen durchfuhr Michael und Eleanor.
    „Wo? Wo sollt ihr hinkommen?“, fragte Raphael ruhig.
    „Zum Friedhof. Dem Friedhof von Stratton. Dort will uns die Stimme erscheinen.“
    Einen Augenblick lang standen Raphael, Eleanor und Michael fassungslos da. Dann begriff Eleanor, dass Elizabeth bereits weitergegangen war und sie nun allein dastanden.
    „Was geht da vor?“, fragte Raphael. „Das kann nie und nimmer der Beginn des Jüngsten Gerichts sein. Es hat doch keinerlei Zeichen gegeben. Außerdem habe ich immer gedacht, dass sich die Toten auf der ganzen Welt gleichzeitig erheben und das Totenreich verlassen werden. Warum treffen sie sich erst auf dem Friedhof? Und geschieht jetzt dasselbe überall auf der ganzen Welt? Müsste ich dann nicht die Stimmen der gefallenen Engel in mir hören, die allesamt aufschreien in Freude über diesen Tag? Aber da ist nichts in mir, gar nichts. Ich werde das Gefühl nicht los, dass, was immer gerade geschieht, allein hier in Stratton und Umgebung stattfindet.“
    „Wir sollten ihr folgen“, warf Michael ein. „Anders werden wir nicht herausfinden, was hier los ist.“
    Raphael sah ihn kurz an, dann schob er den Unterkiefer vor und setzte sich entschlossen in Bewegung. Michael folgte ihm, so rasch er es vermochte und auch Eleanor lief hinter den beiden her.
    „Sollte Eleanor nicht zu ihrer eigenen Sicherheit in Stratton Hall bleiben?“, fragte Michael vor ihr. Sie hätte ihn am liebsten für diesen Vorschlag geohrfeigt, doch Raphael schüttelte bereits den Kopf.
    „Nein, zu gefährlich. Wenn sie allein im Haus bleibt, kann Lilith zu ihr. Ich fürchte, bei dieser Sache muss sie sich uns einfach anschließen.“
    In diesem Augenblick zuckte der erste Blitz über den wolkenverhangenen Himmel. Das Krachen des Donners folgte nur wenige Augenblicke später und fast sofort setzte ein ungewöhnlich kräftiger Regenguss ein. Ein weiterer Blitz folgte, der die mächtigen Bäume des Parks in ein gleißendes Licht tauchte. Jeder vernünftig denkende Mensch würde sich jetzt ins Warme und Trockene flüchten, dachte Eleanor, doch sie hielt sich weiter tapfer an der Seite der beiden vor ihr.
    In diesem Moment sah sie Elizabeth zum ersten Mal heute ganz deutlich vor sich. Es war mittlerweile so finster geworden, dass ihre Silhouette nun deutlich zu erkennen war, wie sie etwa fünfzig Meter vor ihnen auf den Ausgang des Parks zu schwebte. Sie hatte das eiserne Tor fast erreicht. Jeden Augenblick würde sie auf der Straße vor dem Tor nach links abschwenken, um nach Stratton zu gelangen.
    Die drei beschleunigten ihren Schritt und rannten durch den Regen auf das Tor zu. Dort angekommen folgten sie Elizabeth, die sie nicht länger wahrzunehmen schien, nach Stratton. Ihre Gestalt schwebte nun etwa zehn Meter vor ihnen über die finstere Landstraße, deutlich zu sehen, flimmernd und blass leuchtend.
    Der Wolkenbruch entlud sich auf dem

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