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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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dunklen Augen, das Eleanor furchtsam anstarrte. Nur sehr langsam entspannte sie sich unter Raphaels Berührung, sie schloss die Augen und gab sich der Berührung des Engels hin, der sie noch immer behutsam wiegte. Endlich öffnete sie die Augen wieder und blickte Eleanor dankbar an.
    Raphael musste dies gespürt haben, denn er öffnete die Flügel, entließ Elizabeth aus seinen Armen und trat einen Schritt zurück. Unsicher blickte sie ihn an und flüsterte dann leise „Danke.“
    Raphael nickte und sah dann zu Eleanor hinüber.
    „Es ist Zeit zu gehen“, sagte er. „Wir laufen sonst einem Kontrollgang in die Arme.“
    Eleanor lächelte ihn an. Dann wandte sie sich noch einmal ihrer Freundin zu. „Sehen wir uns Morgen?“, fragte sie.
    „Ja, bitte“, antwortete Elizabeth hastig. Der Gedanke, dass ihre neuen Freunde sie wieder in der Einsamkeit zurücklassen könnten, war ihr unerträglich.
    „Bis Morgen, Beth.“
    „Bis Morgen, Eleanor.“
    Dann wandte Eleanor sich um und begann die Treppe emporzusteigen. Ein letztes Mal blickte sie sich um und sah Elizabeth am Fuße der Treppe einen Schritt zurücktreten. Im selben Moment fiel Raphaels Leuchten von ihr ab, ihr Gesicht verschwand, ihre Gestalt wurde erneut zu einem formlosen Schatten und gleich darauf war sie wieder in jene Dunkelheit zurückgefallen, aus der sie gekommen war.
     
    Eleanor blieb in dieser Nacht lange wach. Ihre Gedanken wanderten zu Elizabeth, die nicht weit von hier auf der untersten Kellertreppe des westlichen Treppenhauses saß und dort eine Ewigkeit in Angst und Einsamkeit verbringen musste. Wenn nichts geschah, würde Eleanor eines Tages sterben, vielleicht in fünfzig oder sechzig Jahren, und sie würde diese Welt verlassen, doch Elizabeth würde noch immer hier sein. Allein und voll Furcht. Jahrhundert für Jahrhundert. Jahrtausend für Jahrtausend. Irgendwann würde Stratton Hall verschwinden, vielleicht von der unerbittlichen Zeit zur Ruine verwandelt, die im dämmrigen Schatten des Waldes dem Verfall preisgegeben war. Doch Elizabeth wäre noch immer hier…
    Eleanor fröstelte bei diesem Gedanken. Sie zog die Bettdecke höher und legte die Arme um ihre Knie. Wenn ewiges Leben so aussah, wie sie es bei Beth gesehen hatte, erschien es ihr über die Maßen grausam und ungerecht. Kein Vergehen konnte so groß sein, dass es eine solche Strafe rechtfertigte.
    Sie hatte Beth ebenso wie Raphael schon einmal gesagt, dass sie sich mit dieser Situation niemals abfinden würde und dass sie nach einem Weg suchen wolle, Beth aus Asasels Griff zu befreien. Doch in dieser Nacht, in diesem Augenblick, wurde ihr bewusst, dass sie Himmel und Hölle in Bewegung versetzen würde, um Beth zu erlösen. Himmel und Hölle.
     
    Raphael starrte missmutig auf seinen Teller. „Was ist das auf meinem Brot?“, fragte er mit einem Ausdruck größter Missbilligung, ja Ekel auf seinem Gesicht.
    „Marmelade“, grinste Eleanor. „Man schmiert sie aufs Brot. Schmeckt gut.“
    Raphael senkte den Kopf und sog die Luft tief ein. „Ihr zermatscht das Obst und mischt merkwürdige Stoffe darunter? Warum tut ihr das?“
    „Ganze Erdbeeren würden vom Brot runterfallen.“
    „Warum sie dann aufs Brot tun?“
    „Weil es schmeckt.“
    „Mir nicht!“
    „Nicht jeder kann von seiner eigenen Energie leben. Einige von uns müssen essen, um bei Kräften zu bleiben.“
    Raphael runzelte die Stirn und fixierte das Brot auf seinem Teller weiter, so als befürchte er, es könne ihn jederzeit anspringen.
    „Diese Essensnummer ist schwerer, als ich gedacht hatte“, flüsterte er, um die Aufmerksamkeit der anderen Anwesenden im Speisesaal nicht in ihre Richtung zu lenken. Noch immer ließ er das Brot nicht aus den Augen. „Ich empfinde es geradezu als eklig, tote Pflanzen oder gar tote Lebewesen herunterzuschlucken.“
    „Wäre dir etwas Lebendiges lieber? Wenn es dir nicht schmeckt, dann lass es einfach. Du bist doch mittlerweile geschickt darin, deiner Umgebung etwas vorzugaukeln, wenn es um deine Nahrungsgewohnheiten geht.“
    Raphael blickte von seinem Teller auf und starrte Eleanor an.
    „Höre ich da einen zynischen Unterton?“, fragte er. „Ich hätte nicht gedacht, dass du mir die Hölle so bald heiß werden lässt!“
    Eleanor blickte erschrocken von ihrem Frühstück auf. Sie sah Raphael an und legte schließlich ihre Hand auf die seine.
    „So war das nicht gemeint“, sagte sie sanft. „Ich weiß, dass du dich schwer mit diesen Dingen tust. Und ich weiß,

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