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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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standen sie einander gegenüber und Michael begrüßte die drei. Mit seiner Schwester Bess tauschte er ein fröhliches ‚Hallo“, während er Eleanor herzlich umarmte. Für Raphael reichte es nur zu einem kurzen, frostigen Kopfnicken.
    „Was habt ihr heute vor?“, grinste Michael in die Runde.
    „Wir wollten auf den Rummel!“, platzte es aus Bess heraus. „Endlich ist mal was los in dieser Gegend. Das wollten wir unbedingt nutzen.“
    Michael nickte. „Alles klar, ich bin dabei.“
    So gingen die vier die wenigen hundert Meter zum alten Marktplatz hinüber, wo schon seit zwei Tagen der Jahrmarkt gastierte. Um diese Zeit hatten sich bereits viele Menschen hierher auf den Weg gemacht und das Gelände war von drängelnden, sich vorwärts schiebenden Menschenmassen, lauter Musik und dem Stimmengewirr tausender Menschen erfüllt.
    Eleanor zuckte instinktiv zusammen, als sie zwischen die Leiber der Jahrmarktsbesucher geschoben wurde. In dem tosenden Chaos und Lärm dieses Ortes fühlte sie sich wie ein Stück Treibholz auf hoher See, hin- und hergetrieben von Naturgewalten, die zu stark und zu machtvoll waren, als das sie gegen sie bestehen konnte. Ein harter Stoß traf sie von links und ließ sie beinahe zu Boden gehen. Taumelnd bemühte sie sich, ihr Gleichgewicht wiederzuerlangen. Jemand trat ihr unbeabsichtigt gegen das rechte Schienbein, sie stolperte gegen ihren Vordermann.
    In diesem Moment griff jemand von hinten nach ihren Schultern und zog sie sanft zurück. Sie spürte eine breite Brust, gegen die sie gezogen wurde und allein das wohlige Gefühl von Kraft und Wärme, das sie durchströmte, sagte ihr, dass es Raphael war, der nun hinter ihr stand.
    Mit einem Mal änderte sich etwas innerhalb der Menschenmenge, durch die sie sich bewegten. Eleanor war sich zunächst nicht ganz sicher, was es war, doch irgendwie hatte sich die Welt verändert. Schließlich erkannte sie was es war – obwohl um sie herum noch immer das Chaos und der Lärm tobte, teilten sich die Menschenmassen wie zufällig, wo auch immer sie hingingen. Niemand berührte ein Mitglied der kleinen Gruppe, es war beinahe, als teilte sich das Meer vor ihnen, während es sich hinter ihnen wie von selbst wieder schloss. Und bei alledem schien es, als sei dies vollkommen natürlich, niemand nahm Notiz von ihnen oder schaute gezielt in ihre Richtung. Eleanor musste grinsen. Raphael war wirklich unglaublich, denn niemand bemerkte auch nur ansatzweise, was hier gerade vor sich ging. Selbst Bess und Michael nicht.
    So gingen sie über den Jahrmarkt, sahen in die Buden und fuhren in den wenigen Fahrgeschäften, die es gab. Eleanor entspannte sich zusehends, begann zu lachen und Spaß an der Sache zu haben. Raphael blieb die gesamte Zeit über so dicht hinter ihr, dass sie ihn fortwährend im Rücken spüren konnte. Bei alldem fühlte Eleanor sich so sicher und geborgen, dass sie beinahe von den Beinen gerissen wurde, als plötzlich etwas durch Raphaels Leib zuckte, was sich wie ein Stromschlag anfühlte. Sie fuhr herum und blickte erschrocken zu Raphael hinauf, dessen Gesicht plötzlich bleich und angespannt wirkte.
    „Was ist?“, flüsterte sie.
    „Lilith ist hier“, zischte er. „Sie beobachtet uns!“
     
     

Der dreizehnte Jünger
     
    Die Sonne begann sich bereits wieder dem westlichen Horizont zuzuwenden, als Jeshua und seine kleine Gruppe das Dorf Bethanien erreichten. Die Erschöpfung und Enttäuschung stand ihnen allen ins Gesicht geschrieben, doch Jeshua bemühte sich um Zuversicht.
    „Das was heute geschehen ist, macht nichts“, sagte er. „Wenn wir das nächste Mal nach Jerusalem gehen, werden sie es nicht mehr wagen können, sich uns entgegenzustellen.“
    „Wie willst du das erreichen?“, fragte Simeon, den man Kephas, den Stein, nannte.
    „Beim nächsten Mal wird das Volk hinter uns stehen“, lächelte Jeshua.
    „Wie wird uns das nützen?“, fragte jener Jünger, den man Thomas nannte.
    „Die Mächtigen dieser Welt haben keine Angst vor Gott, denn sie glauben nicht an ihn. Eben dies macht sie in dieser Welt mächtig und es kümmert sie nicht, dass sie in der nächsten Welt keine Zukunft haben werden. Das Einzige, was sie hier in diesem Leben fürchten müssen, ist das Volk. Denn nur das Volk ist in seinem Zorn mächtig genug, gleich einer Welle die Mächtigen vom Antlitz dieser Welt zu waschen. Wenn das Volk von unserer Botschaft überzeugt ist, werden sie nichts gegen uns unternehmen können, denn sie müssen fürchten,

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