König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
gepresster Stimme. „Aber ich will mehr über das wissen, was hier geschehen ist. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es schon einmal eine solche Liebe zwischen Menschen und Engeln gegeben hat.“
Wieder stutzte Raphael. Er versuchte nach dem zu greifen, was seine Aufmerksamkeit erregt hatte, doch wieder bekam er es nicht zu fassen. Es war wie ein Schatten oder ein Gefühl – schwer in Worte zu fassen und dennoch eindeutig, klar und eindringlich.
Raphael war hin- und hergerissen. Einerseits hatte er kein grundsätzliches Problem damit, über Eleanor zu sprechen. Doch andererseits wurde er das Gefühl nicht los, dass jede Information, die er Lilith gab, zu einer Waffe gegen Eleanor werden könnte. So schwieg er, uneins mit sich selbst und seiner Sicht auf Lilith.
„Ich sehe, du traust mir nicht“, schloss Lilith nach einer Weile. „Das musst du auch nicht. Ich kann auch Eleanor selbst fragen. Vielleicht wird sie mir Antworten liefern können…“
Mit einem fauchenden Zischen und schneller, als das Auge sehen konnte, fiel Raphael über Lilith her. Die Wucht, mit der er gegen sie prallte, war so groß, dass sie beide mehr als einhundert Meter weit über die Wasseroberfläche des Sees geschleudert und erst am anderen Ufer von einer mächtigen Eiche gestoppt wurden. Mit einem mächtigen Knall fuhren sie gegen den Baum, der ihnen jedoch mit zitterndem Stamm und rauschenden Blättern standhielt. Raphael stand in der Gestalt eines leuchtenden Engels über Lilith und hatte seine Faust um ihre Kehle geschlossen.
Seltsamerweise machte Lilith nicht einmal den Versuch, sich zu wehren. Sie hielt sich mit beiden Händen an Raphaels Arm fest und blickte mit einer merkwürdigen Mischung aus Erstaunen und Belustigung zu ihm hoch. Doch da war noch etwas anderes in ihrem Ausdruck, eine Regung, die Raphael nicht zu deuten vermochte. Sie wirkte beinahe verletzlich, so als habe Raphael sie mit seiner wilden Reaktion stärker getroffen, als er hatte ahnen können.
„Du liebst sie wirklich, nicht wahr, Raphael?“, keuchte sie heftig atmend.
Da war es wieder. Dieses undefinierbare Gefühl, das Raphael bei ihren Worten überkam. Und wieder bekam er es nicht zu fassen, wieder schlüpfte es ihm durch die Finger.
„Ich werde nicht zulassen, dass du dich ihr näherst!“, grollte er. „Du wirst dich von ihr fernhalten, oder ich werde dich bis ans Ende aller Zeiten jagen und zur Strecke bringen. Das schwöre ich bei den Gewalten des Herrn, seinen Erzengeln und allen Cherubim!“
Schlagartig änderte sich Liliths Gesichtsausdruck. Die ungewohnte Verletzlichkeit in ihrem Blick wich blanker und purer Verachtung. Sie stieß Raphaels Hand von sich weg und sah hasserfüllt zu ihm hoch.
„Denke nicht, dass du mir drohen kannst!“, fauchte sie. „Es mag sein, dass du dein Leben für sie opfern würdest. Dass du gegen mich kämpfst und dein göttliches Feuer hergibst, um meines zum Erlöschen zu bringen. Aber das ist keine Drohung für mich. Was meinst du, wohin ich gehen werde, wenn ich sterbe? Zu Gott? Ganz sicher nicht! Meine Seele wird in jedem Fall auf ewig in dieser Hölle festsitzen. Ich habe keinen Ort, zu dem ich gehen kann. Ich muss keine Konsequenzen fürchten, denn mein Schicksal steht ohnehin längst fest!“
Sie trat einen weiteren Schritt zurück und wandte sich zornig ab. Dann jedoch blieb sie noch einmal zögernd stehen, sie zitterte am ganzen Körper, ballte die Fäuste und schien mit sich selbst zu kämpfen.
„Bewahre dir deine Liebe zu ihr, Raphael“, presste sie leise hervor. „Es kann sein, dass sie bald das Einzige ist, was dir von ihr bleibt.“
Mit diesen Worten breitete sie ihre gewaltigen Flügel aus und schwang sich rauschend in die Luft. Raphael sah ihr nach, wie ihr kleiner, strahlender Körper auf die Wolken zuflog und schließlich in ihnen verschwand. Eine kurze Weile konnte er noch das ferne Schlagen ihrer Schwingen hören, dann verlor es sich im Wind dieses regnerischen und grauen Tages.
Raphael war innerlich aufgewühlt und zornig. Alles in ihm schrie danach, seine Wut herauszubrüllen, doch er beherrschte sich, um die Bewohner Stratton Halls nicht auf sich aufmerksam zu machen. Ein Schrei von ihm würde in diesem Augenblick sicher im Umkreis mehrerer Kilometer Häuser beschädigen oder zum Einsturz bringen und zudem Dutzende von Bäumen im Park fällen.
„Diese kleine Schlange!“, knurrte er. Dann fuhr er mit unfassbarer Geschwindigkeit herum und stieß seine Faust gegen die Eiche,
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