König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
von sich. Er klang angewidert und zornig. „Weil es ihr Spaß machte. Das wenigste von dem, was Lilith macht, folgt einem Sinn. Für gewöhnlich handelt sie einfach nur aus einem Impuls heraus…“
Jeshua verzog das Gesicht zu einem Ausdruck, der am ehesten an Unverständnis erinnerte, aber ebenso gut Widerwillen sein konnte.
„Weil es ihr Spaß machte?“, flüsterte Joël voll Entsetzen. „Weil es ihr Spaß machte, bin ich sieben Jahre lang von Dämonen gequält worden?“
Asasel nickte wortlos. Jeshua legte Joël beschwichtigend seine Hand auf die Schulter und drückte sie mitfühlend. Bei dieser Berührung fiel der Zorn von Joël ab und er sackte sichtbar in sich zusammen.
„So sollte man niemanden behandeln“, sprach er wie zu sich selbst. „Das Leben dient doch nicht der Unterhaltung. Einen Menschen nur aus Zeitvertreib zu misshandeln…“
Wieder drückte Jeshua sanft seine Schulter, Joël legte seine Hand auf die Jeshuas und erwiderte den Druck ungeschickt und so heftig, so als müsse er sich an ihm festhalten. Tränen liefen ihm über die Wangen. Dann riss er sich los und rannte durch die Dunkelheit davon.
Asasel und Jeshua sahen ihm nach.
„Wird er darüber hinwegkommen?“, fragte Asasel.
„Ich will es hoffen. Er hat mehr als vierzig Dämonen über sieben Jahre lang getrotzt. Wenn er nicht stark genug ist, ist es vermutlich niemand.“
…
Eleanor öffnete die Augen. Die ersten Sonnenstrahlen fielen durch das Fenster und zeichneten schmale Lichtbahnen auf die Wand. Das leise Ticken des Weckers erfüllte den Raum und das erste Zwitschern der Vögel drang von außen herein. Das Zimmer wirkte ruhig und friedlich, es schien kaum vorstellbar, dass Eleanor hier eine halbe Nacht lang wach gelegen und gegrübelt hatte. Nun aber fühlte sie sich erstaunlich erholt und voll Tatendrang. Energisch schlug sie die Bettdecke zurück und setzte den Fuß auf den kalten Boden. Sie sog die Luft scharf ein, als die Kälte durch ihre Fußsohlen drang.
„Frierst du?“, fragte eine sanfte Stimme.
Eleanor zuckte zusammen, doch in diesem Moment trat bereits eine Gestalt aus der Zimmerecke, die einen Moment zuvor noch sicher leer gewesen war.
„Raphael“, sagte Eleanor erfreut. „Seit wann bist du hier?“
Raphael setzte sich neben Eleanor auf die Bettkante, eine Situation, die Eleanor in diesem Moment bei einem Engel als ungewöhnlich fand.
„Seitdem du eingeschlafen bist“, sagte er. „Ich habe dich nicht aus den Augen gelassen. Nicht einen Augenblick.“
Eleanor sah ihn verträumt an. Dann nickte sie.
„Wie ist es, zu frieren?“, brachte Raphael das Thema auf seine erste Frage zurück.
Eleanor zog die Füße wieder ins Bett zurück und setzte sich in den Schneidersitz. „Frierst du nie?“, fragte sie, obwohl sie die Antwort kannte.
„Nein, nie. Wenn du das göttliche Feuer in dir hast, nimmst du weder Kälte noch Hitze wahr. Du weißt, dass sie da sind, doch du leidest nicht unter ihnen. Sie beeinflussen dich nicht und sie halten dich nicht auf.“
„Das stelle ich mir schön vor. Mir ist ständig zu heiß oder zu kalt.“
Raphael grinste etwas gequält. „Und?“, hakte er nach. „Wie ist es denn nun?“
Eleanor schlang die Arme um sich. Sie starrte an die Wand und ihr Blick verlor sich in der Leere.
„Kälte tut weh“, begann sie. „Sie kriecht in dich hinein und durchdringt jede Faser deines Körpers. Sie beißt und klammert sich an dich…“
„… sie ist wie die Angst“, schloss Raphael.
Eleanor nickte wortlos.
„Kälte klingt wie das, was wir Engel in uns tragen, seitdem wir nicht mehr im Himmel sind“, fuhr Raphael tonlos fort.
„Warum bist du dann nicht gegangen, als du die Möglichkeit dazu hattest?“, fragte Eleanor besorgt. „Warum quälst du dich mit dieser Kälte?“
Raphael sah sie erstaunt an. „Du hast es doch wieder warm gemacht“, sagte er.
„So langsam wird mir auch wieder warm“, seufzte Eleanor glücklich, nachdem sie ihren ersten Kaffee zum Frühstück getrunken hatte. Sie stellte die Tasse ab und widmete sich dem Brötchen auf ihrem Teller. Der Duft von Kaffee, Rühreiern und Speck durchzog den Speisesaal und das geschäftige Klappern von Tellern und Besteck mischte sich mit den Stimmen der Menschen, die sich leise unterhielten. Ab und zu durchschnitt ein plötzliches Lachen den Raum, doch die Atmosphäre war so friedlich, dass Eleanor unwillkürlich lächeln musste. Die Sorgen der vergangenen Nacht waren vorerst
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