König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)
immer, wenn Eleanor sie besuchte, wogte eine Welle des Glücks und der Freude zu ihr hinüber. Die Angst und Verzweiflung, die bis eben noch das Treppenhaus mit einer ungewöhnlichen Kälte erfüllt hatten, wurden zurückgedrängt und vollkommen überlagert. Sie würden erst zurückkehren, wenn Eleanor ging, dann aber umso mächtiger sein.
„Natürlich“, lächelte Eleanor. „Ich habe dir doch versprochen, dass ich heute kommen würde.“
Elizabeths Schatten schien zu nicken. „Ich weiß“, erwiderte sie kleinlaut. „Jemandem in meiner Lage fällt es nur so schwer daran zu glauben, dass er nicht völlig allein ist.“
„Ich weiß. Aber es ist gut, jetzt bei dir zu sein. Raphael war heute so merkwürdig. Ich glaube er hat wieder einmal Angst um mich. Jemand namens Lilith ist auf mich aufmerksam geworden. Kennst du sie?“
Elizabeths Schatten schien den Kopf zu schütteln.
„Nein. Diesen Namen habe ich noch nie gehört.“
Eine Weile sagte keiner der beiden ein Wort. Dann war es Elizabeth, die erneut das Wort ergriff.
„Als du das letzte Mal hier warst, sprachen wir über das Beschwören von Dämonen. Erinnerst du dich?“
Eleanor nickte. Sie waren von Raphael unterbrochen worden, als Elizabeth von jenem Tag erzählen wollte, da sie Asasel herbeigeholt hatte.
„Ich kann die das Buch zeigen, mit dessen Hilfe ich Asasel beschworen habe. Vielleicht kann es dir helfen…?“
„Eine gute Idee!“, meinte Eleanor begeistert. „Es kann sicher nicht schaden, wenn ich wenigstens ein kleines bisschen die Möglichkeit habe, jemanden wie Asasel zu beeinflussen.“
So stiegen die beiden das Treppenhaus hinauf, bis in den ersten Stock. Dort betraten sie den Korridor, der zur Bibliothek führte. Um diese Uhrzeit war hier mit niemandem zu rechnen, denn in diesem Teil des Hauses lagen keine Patientenzimmer. Lediglich einige Büros der Verwaltung waren hier untergebracht, sowie die alte Bibliothek der ehemaligen Hausherren.
Eleanor drückte die schwere Türklinke behutsam herunter. Das Haus mochte in nächtlicher Ruhe liegen, doch verdächtigen Geräuschen, wie knarrenden Türklinken, wäre man ganz sicher dennoch nachgegangen, wenn sie allzu verräterisch waren. Vorsichtig öffnete Eleanor die Tür, dann huschte sie schnell hindurch und schloss die Tür ebenso leise, wie sie sie geöffnet hatte. Elizabeths Schatten war die ganze Zeit nicht von ihrer Seite gewichen und schwebte nun die Bücherregale entlang.
Eleanor sah sich um. Der Raum mochte im Dunkeln liegen, doch sie sah durch das helle Mondlicht, welches durch die großen Fenster hinein schien, genug, um sich orientieren zu können.
Es war nur eine kleine Bibliothek, vielleicht fünf auf sechs Meter groß, doch bis an die Decke mit alten und zum Teil wunderschönen Holzregalen bedeckt. Die Buchrücken in ihnen schienen alt und wertvoll zu sein. Zudem schwebte über allem der Geruch von altem Leder, Papier und Druckerschwärze. Eleanor atmete unwillkürlich tief ein. Sie mochte diesen Raum vom ersten Augenblick an und nahm sich vor, ihn bei Tage noch einmal zu besuchen.
„Es ist hier“, wisperte die Stimme Elizabeths.
Eleanor blickte in ihre Richtung und sah den bleichen Schatten ihrer Freundin nur wenige Meter entfernt in einer Zimmerecke schweben.
„Lass dich nicht täuschen“, flüsterte Elizabeth. „Es steht in zweiter Reihe und ist von außen nicht zu sehen. Das gilt für einige Bücher, die zu wertvoll sind, um sie offen herumstehen zu lassen. Kein sehr guter Trick, um Diebe zu verwirren, aber er geht tatsächlich noch auf meinen Großvater zurück. Die Bibliothek wurde seit seinen Tagen offenbar nie wirklich benutzt, denn man hat sein System bis heute nicht geändert.“
Eleanor blickte auf den Punkt, auf den Elizabeths Schatten zu deuten schien. Dort griff sie hin und zog zunächst das vordere Buch aus dem Regal. Es war ein großer und schwerer Band von sicher mehr als einen Kilo Gewicht und mit einem dicken, dunkelbraunen Ziegenledereinband versehen.
„Don Quichote, 1832“, las sie laut. Dann legte sie es auf den Tisch hinter sich. Sie griff erneut in das Regal und förderte ein zweites Buch zu Tage, das sich sehr deutlich vom ersten unterschied. Es war nur klein, kaum größer als Eleanors Hand, schwarz gebunden und ohne jegliche Aufschrift. Ein kleines, blutrotes Lesebändchen hing an der Seite hervor. Und doch wirkte es ungewöhnlich schwer für ein Buch dieser Größe.
„Schlag das Buch an der Stelle auf, an der das Lesezeichen
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