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König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition)

Titel: König der Seelen (Höllenfeuer) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Conrad
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Hand des Mädchens fest und weinte bitterlich. Das Mädchen selbst mochte vielleicht zwölf oder dreizehn Jahre alt sein. Totenblass lag sie unter der Decke, allein ihr Gesicht schaute hervor und der linke Arm, an dem sich ihre Mutter festhielt.
    „Weint nicht“, flüsterte Jeshua, ohne den Blick von der Toten abzuwenden. „Sie ist nicht tot. Sie schläft nur!“
    Ein Zucken ging durch die Mutter am Bett. Ihr Körper wurde von einer Welle von Krämpfen geschüttelt, während sie sich langsam umwandte. Und nun sahen sie es alle – sie lachte.
    „Schläft?“, lachte sie mit einem irren Ausdruck in den Augen. „Sie atmet nicht einmal. Sie wird langsam kalt, ich kann es spüren. Und ihr wollt mir erzählen, dass sie nur schläft?“
    Dann ging ihr Lachen wieder in Weinen über, sie wandte sich von Jeshua ab und begann, die Hand der Toten zu küssen und zu liebkosen.
    Jeshua war gerade im Begriff etwas zu sagen, als Jaïr an ihm vorbei trat und seine Frau am Ellenbogen ergriff.
    „Steh auf, Weib. Und lass den Rabbi tun, was er kann!“, sagte er mit einer merkwürdigen Mischung aus Ehrfurcht, die Jeshua galt und Verachtung, die dem Betragen seiner Frau geschuldet war. Sie schluchzte laut auf , doch wehrte sich kaum, als er sie aus dem Zimmer zog. Auch Simeon, Johanan und Jakob folgten den beiden. Sie schlossen die Türe hinter sich und ließen Jeshua mit dem toten Mädchen allein zurück.
    „Was denkst du?“, fragte er leise, als er sich sicher sein konnte, nun vollkommen ungestört zu sein.
    Eine Gestalt trat aus einem der Schatten in der linken Zimmerecke. Zunächst war sie nicht vielmehr als ein dunkler Fleck, der sich durch den Raum bewegte. Dann aber erstrahlte sie in einem sanften und goldenen Licht.
    „Was meinst du?“, fragte Asasel, während er sich bemühte, in der kleinen Kammer seine Flügel unter Kontrolle zu halten. Man sah ihm an, dass er sich auf so engem Raum nicht wohl fühlte.
    „Sie ist tot!“, fuhr er fort. „Was willst du da noch tun?“
    „Ihre Seele“, flüsterte Jeshua. „Ihre Seele ist noch hier. Sie ist noch nicht zum Herrn gegangen.“
    „Aber was ändert das?“
    Jeshua sah ihn erstaunt an. „Einfach alles, Asasel! Einfach alles!“
    Dann trat er an das Bett des toten Mädchens. Er kniete sich an ihre Seite und legte sanft die Hand auf ihre Stirn.
    „Steh auf, Mädchen!“, sagte er leise.
     
    Kurz darauf öffnete sich die Zimmertür. Die Menschen im engen Korridor sahen sich um und erstarrten bei dem Anblick, der sich ihnen bot. Dort im Türrahmen stand das Mädchen, die Tochter des Jaïr, totenbleich und zittrig. Hinter ihr stand Jeshua, er sah erschöpft und doch glücklich aus.
    Jaïrs Frau stieß einen schrillen Schrei aus und stürzte auf ihre Tochter zu. Sie riss sie an sich, drückte sie weinend und jammerte unverständliches Zeug. Jaïr hingegen stand nur mit offenem Mund da, unfähig, das was er sah, zu begreifen und zu glauben.
    „Gebt ihr zu essen“, sagte Jeshua matt. „Sie wird hungrig sein…“
    Jaïr nickte verwirrt und wandte sich zur Treppe, um in die Küche zu gehen. Plötzlich jedoch hielt Jeshua ihn noch einmal an der Schulter zurück.
    „Trag mir Sorge dafür, dass nichts von dem, was heute hier geschehen ist, dieses Haus verlässt, Jaïr!“, sagte er leise und eindringlich.
    Jaïr blickte Jeshua an, als habe dieser in einer fremden Sprache gesprochen.
    „Aber Herr“, wandte er schließlich ein. „Wenn die Menschen davon erfahren, dass du meine Tochter mit Gottes Hilfe von den Toten zurückgebracht hast, wird niemand mehr an deiner Sendung zweifeln können…“
    „Es darf niemand wissen!“, schärfte Jeshua ihm ein. „Ich habe meine Gründe dafür. Glaube mir!“
    Jaïr blickte ihn verständnislos an. Dann jedoch nickte er zögernd.
    Die Nachricht von der unfassbaren Wiedererweckung der Tochter des Synagogenvorstehers Jaïr ließ sich hingegen nicht verheimlichen. Zu viele Menschen waren dabei gewesen, zu viele Menschen glaubten an die phantastische Geschichte, die hinter vorgehaltener Hand in Umlauf gebracht wurde. Wenn Jeshua gedacht hatte, dass sich diese Tat geheim halten ließ, so hatte er sich gründlich getäuscht.
    Am Abend dieses Tages saß er inmitten einer fröhlichen Dorfgesellschaft im hinteren Hof des Hauses des Jaïr. Man hatte ein großes Feuer in der Mitte entzündet, Tische und Bänke aufgebaut und das ganze Haus zu diesem feierlichen Anlass geschmückt. Jeshua und seine Gruppe hatten die Ehrenplätze inmitten der

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