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König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition)

Titel: König, Hofnarr und Volk: Einbildungsroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Winkler
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so werden, wie es noch nie war und wie ich’s mir selbst in meinen geheimsten und verborgensten Wünschen und Träumen niemals ausmalen würde können. Mag sein, dort hat es sich irgendwann zart angedeutet, zum Beispiel, als ich als Kind an den Winternachmittagen den gefrorenen Bach hinauf und hinunter lief, aber vielleicht nicht einmal da. Kannst Du Dich an den kleinen Wasserfall erinnern? Er bildete die Mauer in der Ferne und unterbrach mein Auf und Ab, mein Hin und Her, und unmöglich und verboten war es, sich ihm zu nähern. Wer weiß, ob das immer so bleiben muss, vielleicht – noch halte ich es für denkbar – wird sich das ändern, wenn ich das Institut für Gedankenkunde und Verstehen verlassen habe. Ich kann ja nicht immer hier zur Lehre gehen. Und was soll werden aus mir, wenn ich nicht wie Flora auf der obersten Stufe der Rampe stehen mag und exakt wiedergeben, was Professor Stein gesagt hat? Gesagt oder vergessen zu sagen – das ist einerlei. Gleichviel, leider. Aus mir wird eben ein Mundschenk werden, ein Mundschenk und eine Eistänzerin am Stadtrand, immer spätabends, wenn ein wenig Licht aus den Fenstern der Hochhäuser auf die Schneedecke fällt. Und eine Zimmerfigur, eine Windfigur in einem Zimmer, eine Zimmerfigur im Wind. Und die Lampen dürfen dann zittern und wackeln wie ich. Ist das etwa nicht genug? Reicht das nicht? Und hell und schön wird der Tag leuchten, an dem ich Herrn Professor Icks einen Brief schreibe, um ihm zu sagen, wie weit mich sein Im-Fieber-Sprechen über die Stadtgrenzen hinaus und aufs Eis getragen hat. Gebebt hat’s unter mir, und ich habe, weiß ich, wie’s kam, mit einem Mal die Angst vor den Spalten, die sich da auftun, verloren, die Angst vor den vielen Klüften, dem ewig summenden Ton, der aus solchem Beinahe-Entzweireißen hervorspringt. Und danke auch für Brot und Wein, für das stundelange Sitzen und Liegen und Schlafen und Träumen und für alles Vergehen. So sprechen, Jakob, so sich in Gefahr bringen. Jakob?

XVI.
    Ist das Flora, wirklich Flora? In einem langen, schwarzen Mantel sitzt sie auf der Bank im Hof und trinkt Kaffee. Neben ihr liegt ein Stapel Bücher, aus denen eingelegte Zettel herausschauen, auf denen ein paar Wörter zu lesen sind, wahrscheinlich Namen. Bereitet sie sich schon auf die große Prüfung bei Professor Stein vor? Frau Professor Stein eilt im Laufschritt vorbei und dreht sich um, als sie Flora erkennt: »Gewöhnen Sie sich daran, dass hier eine gewisse Schnelligkeit, ein rasches Tempo von allen Ein- und Ausgehenden gefordert sind. Geträumt werden muss anderswo. Aber ich weiß längst, Flora Tauber, dass Sie im Gegensatz zu einigen Ihrer Kolleginnen – Diskretion verbietet mir, die Namen zu nennen – längst wissen, worum es hier geht. Ja, mir scheint, Sie verfügen über eine rasche Auffassung, und daher, nun ja, scheint mir Ihre kleine Hoffnung, hier vielleicht Professorin zu werden, doch berechtigt. Machen Sie es sich nicht zu schwer mit den Büchern, aber vergessen Sie nicht, mir die gewünschten aus der Bibliothek zu holen. Eines Tages werden Sie selber hier ein eigenes Büro haben.« In Riesenschritten geht’s ab nach oben, wo all die Gedanken, die fremden Gedanken so sehr nach Klärung und Kontur verlangen, rufen und schreien. Aber, wer weiß, vielleicht wird dieses ganz singuläre Babel sogar Floras Abgang noch überleben. Muss denn nicht jeder von uns einmal von hier fort, sogar Flora? Und dann? Floras Gesicht läuft über und über rot an, und sie lächelt, lächelt mit hoch gezogenen Schultern. Ich sehe Flora im Hörsaal stehen, vor dem Pult, und mit einem Stab auf den Boden schlagen, als wär’s ein alter Taktstock. In der ersten Reihe sitzt eine Studierende, zu der Flora die ganze Zeit über hinsehen muss, ja, immerzu muss Flora sie im Auge haben. Ganz nervös und in der Nervosität ganz beherrscht wirkt sie, wie sie da steht, mit dem Rücken zu einem Bild, das sie eben an die Tafel gehängt hat, ein Bild, auf dem alte, sich verzweigende Geleise von Zügen zu sehen sind. Unter den Geleisen heißt es: Worte liegen dazwischen. Die Studierende in der ersten Reihe hebt die Hand: »Hübsch, sehr hübsch, ist solche Weisheit, aber wohl doch ein wenig überholt, ungenau und banal.« Sie mustert Flora, die Professorin, von oben bis unten. Flora klopft mit dem Taktstock auf den Boden. »Verfassen Sie einen Aufsatz dazu, stellen Sie sich die Frage, inwieweit solch schmucke Banalität der Wirklichkeit eins auswischt.« Und die

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