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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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das Fleisch zerteilt wurde. »Mach sie auf!« Er drückte Lupo ein Brecheisen in die Hand. »Sie enthält einen Schatz, fast so kostbar wie Gold!«
    Der Falkner machte sich an die Arbeit. Die Kiste fühlte sich unangenehm kühl an. Als er den Deckel aufgehebelt hatte, sah er zunächst nur Stroh. Vorsichtig strich der Mundschenk das Stroh zur Seite und holte einen unförmigen weißen Klumpen heraus.
    »Sieh dir das an! Schnee! Mitten im Sommer! Es ist ein Geschenk des Erzbischofs von Fulda an den Kaiser. Seine Männer haben mehrere Kisten mit Schnee aus den Bergen heruntergeholt. Was für Köstlichkeiten man daraus zubereiten kann! Los, hol ein paar von den eingelegten Birnen. Ich werde sie zu Mus quetschen und dann mit dem Schnee vermengen, dann werden wir sie mit einem gekühlten Wein zum Fürsterzbischof bringen.«
    Lupo stellte den Tonkrug mit den eingelegten Früchten auf den Tisch. »Wir?«
    Der Mundschenk sah nicht einmal von seiner Arbeit auf. »Es wird Zeit, dass der Herr dich kennenlernt. Du sollst künftig zu den Burschen gehören, die an seiner Tafel aufwarten. Mir ist aufgefallen, wie sehr du deine Kleider in Ordnung hältst. Das macht sich gut für den Diener eines großen Fürsten.«
    Lupo senkte den Kopf, damit Carolus sein Lächeln nicht sehen konnte. »Ihr seid zu gütig, Herr.« An der Tafel des Erzbischofs aufwarten! Er strich sanft über das Messer in seinem Ärmel. Wenn er sich geschickt anstellte, würde er nicht nur von Dassel in die Hölle schicken, sondern auch
noch ein paar Reichsfürsten dazu. Er musste sich nur noch ein wenig in Geduld fassen.
    Carolus vermengte den Schnee mit dem Birnenmus und summte dabei leise vor sich hin. »Bring eine von den schönen roten Schüsseln, und dann bereite einen Krug mit Wein vor. Der Herr wünscht, dass auf einen Teil Wein stets drei Teile Wasser kommen. Beeile dich, diese Köstlichkeit hier duldet keine zauderlichen Dienstboten!«
    »Ich würde niemals zaudern, wenn es um den Fürsterzbischof geht«, entgegnete Lupo ruhig und malte sich in Gedanken aus, wie er Rainald die Kehle durchschnitt.
     
    Aus irgendeinem Grund hatten die Ratten von ihm abgelassen. Rother wusste nicht zu sagen, wie lange er schon durch die Finsternis irrte. Den Beutel mit den Broten hatte er verloren. Hunger quälte ihn. Konnte man als Toter hungrig sein? War auch das eine der Qualen der Hölle?
    Erschöpft versuchte er sich aufzurichten und stieß mit dem Kopf gegen die niedrige Decke. Es war unmöglich, sich hier anders als kriechend fortzubewegen. Vorsichtig tastete er ins Dunkel. Seine Finger streiften eine quadratische Säule aus Ziegelsteinen. Er verharrte. Unsicher tastete er nach der Decke. Sie fühlte sich seltsam an. Als wäre sie mit getrocknetem Öl überzogen. Er zog die Hand zurück und roch daran. Sie duftete schwach nach kaltem Rauch. Wo, im Namen Gottes, war er hier?
    Ratlos drehte er sich im Kreis, die Arme ausgestreckt, so wie er es als Kind getan hatte, wenn er auf dem Gut seines Vater mit anderen Kindern Blindekuh spielte. »Ist hier jemand?«, fragte er leise.
    »… jemand«, hallte seine eigene Stimme aus der Finsternis
zurück. Der Knappe biss sich auf die Lippen. Tränen stiegen ihm in die Augen. Was für ein verdammter Narr war er doch gewesen! Allein in eine Stadt einzudringen, die dem Heer des Kaisers seit mehr als einem Jahr trotzte. Dass er hier gefangen saß, war die Strafe für seinen gottlosen Hochmut. Er streckte sich auf dem Boden aus und betete. Heiße Tränen rannen ihm über die Wangen, als er immer und immer wieder das Maria voller Gnaden murmelte.
    Als sein Mund so trocken war, dass jedes weitere Wort zur Qual wurde, entschloss er sich weiterzukriechen. Irgendwo musste dieser Gang doch enden! Orientierungslos tastete er sich weiter. Vorbei an Haufen aus bröckelndem Stein. Immer wieder musste er die Richtung wechseln, weil ihm Trümmer den Weg versperrten. Auch wurde die Decke immer niedriger. Rother hatte das Gefühl, kaum noch atmen zu können. Nackte Angst ergriff ihn. Winzig und unbedeutend war er … Gefangen im Fels … Verdammt dazu, auf Knien durch die Hölle zu kriechen! Ja, die Hölle, das war es, wo er gefangen sein musste! Nur Feuer gab es nicht … Aber es musste hier einmal Flammen gegeben haben! Der ölige Film an der Decke war Ruß! Ob er dem Fegefeuer entgegenkroch? Hastig drehte er sich um und krabbelte eilig in die entgegengesetzte Richtung. In blinder Panik stieß er sich den Kopf an einem der zahllosen

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