Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht
wieder in seiner Gewalt.
Mit ohrenbetäubendem Krachen prallten die beiden Schlachtreihen aufeinander. Die Welt verwandelte sich in eine Kakophonie splitternder Lanzen, kreischenden Metalls und gellender Schreie. Ein Ritter vor Ludwig stürzte rücklings aus dem Sattel. Aus der Rückseite seines Helms ragte ein abgebrochener Lanzenschaft.
Der Firneburger preschte vor, um die Lücke in der Schlachtreihe zu schließen. Ein hochgewachsener Reiter drosch so heftig mit dem Schwert auf ihn ein, dass Funken vom Schildbuckel stoben. Sein Feind war ihm zu nahe, als
dass Ludwig seine Lanze noch hätte nutzen können. Er ließ die Waffe fallen und schützte sich, so gut er es vermochte, hinter seinem Schild, während der andere seine ungestümen Angriffe fortsetzte.
»Halte durch!«, übertönte eine vertraute Stimme den Schlachtenlärm. Rother! Noch während Ludwig sein Schwert zog, griff der Junge den Mailänder von der Flanke her an. Rother hatte sein Schwert hoch über den Kopf erhoben und führte einen wuchtigen Hieb, der auf den Hals des Mailänders zielte. Doch der Ritter parierte den Schlag geschickt mit dem Schild. Und dann geschah das Unfassbare. Rothers Waffe zerbrach am Schildbuckel! Das Schwert, das er vom Kaiser geschenkt bekommen hatte. Ungläubig starrte der Junge auf die nutzlose Waffe. Die Klinge war direkt über der Parierstange gebrochen.
Ludwig versetzte dem Mailänder einen Hieb mit der Breitseite des Schwerts, der den Ritter mitten ins Gesicht traf. Ein Strom von Blut quoll aus der zerschmetterten Nase des Lombarden. Er versuchte, sich wieder seinem ursprünglichen Gegner zuzuwenden, als Ludwig ihm die Klinge tief in den Oberschenkel bohrte, um ihn anschließend mit einem Schildstoß aus dem Sattel zu heben.
»Mach, dass du hier fortkommst, Rother! Such dir eine andere Waffe!«
Der Junge starrte immer noch wie gebannt auf sein zerbrochenes Schwert.
»Zurück!«, übertönte die volle Stimme des Erzbischofs den Schlachtenlärm. »Wir ziehen uns auf den Klosterberg zurück!«
Rother wirkte noch immer ganz verstört, doch wendete er nun wenigstens sein Pferd. Der erste Ansturm der Cölner
hatte die Mailänder Ritter ein Stück zurückgeworfen. Ihre Übermacht war allerdings zu groß, um gegen sie in offener Schlacht bestehen zu können. Zwischen den beiden Heeren begann sich eine Lücke aufzutun. Wie riesige, unförmige Blüten lagen die Toten in ihren bunten Waffenröcken im aufgewühlten Grün der Wiese. Nur hier und dort gab es noch vereinzelte Kämpfe.
Erleichtert sah Ludwig, dass Anno und Heinrich nicht unter den Toten waren. Wie lauernde Raubtiere standen sich die beiden Reitertruppen gegenüber, bereit, jeden Augenblick wieder Tod und Verderben über den Gegner zu bringen.
»Ludwig von Firneburg!« Der Erzbischof hatte sein unruhig tänzelndes Schlachtross an die Seite des Ritters gelenkt. »Ihr habt Euch wacker geschlagen! Versucht zum Heerlager des Kaisers durchzubrechen. Ich werde mich mit meinen Rittern auf dem Klosterberg verschanzen, aber ohne Hilfe werden wir dort nicht lange durchhalten. Barbarossa muss wissen, was hier geschieht.«
Müde ließ sich Rother aus dem Sattel gleiten. Er hatte sich das Schwert eines Toten genommen und bei den Rittern mitgekämpft, die den Rückzug zum Klosterhügel deckten. Traurig musterte er seinen roten Waffenrock. Er war zerrissen und über und über mit Blut besudelt. Zum Glück war das meiste davon nicht sein Blut.
Mit einem Seufzer lehnte er sich gegen eine Wand und ließ den Helm achtlos neben sich auf den Boden fallen. Sein Gambeson unter dem Kettenhemd war schwer vom Schweiß. Hoffentlich gab es hier im Kloster einen Brunnen. Die Gebäude waren verlassen. Offenbar hatten die Mönche
ihre Heimstatt schon zu Beginn der Kämpfe um Mailand aufgegeben.
»Rother!« Umringt von einigen seiner Unterbefehlshaber, trat der Erzbischof auf den Klosterhof. »Ich brauche einen Helden!«
Rother spürte, wie ihm das Blut in die Wangen schoss. Auch wenn alle anderen anscheinend anderer Meinung waren, so fühlte er sich nicht im mindesten wie ein Held.
Rainald klopfte dem Jungen auf die Schulter und blickte in die Runde der übrigen Ritter. »Diesen jungen Recken muss ich keinem von euch vorstellen.« Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr er fort. »Das Kloster ist nicht zu einer Verteidigung geschaffen. Es gibt keine Umfassungsmauer, die Gebäude liegen auf der Hügelkuppe verteilt. Es wird also schwer werden, wenn wir uns hier halten wollen. Unser
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