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Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht

Titel: Könige der ersten Nacht - Hennen, B: Könige der ersten Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Mailand die größte Stadt gewesen, die Heinrich jemals gesehen hatte. Doch Konstantinopel übertraf die Hauptstadt der Lombardei um
ein Vielfaches. Es hieß, dass allein 60 000 Fremde hier lebten. Heinrich seufzte. Und es gab mindestens 10 000 Männer mit blauen Umhängen!
    Jemand stieß Heinrich an die Schulter. Einer der Wachsoldaten des Milion war von hinten an ihn herangetreten und versetzte dem Ritter noch einen zweiten Stoß mit dem stumpfen Ende seines Speers. Der Mann herrschte ihn an und machte eine befehlende Geste.
    Heinrich verstand kein Wort. Geölte schwarze Locken quollen unter dem Spangenhelm des fremden Kriegers hervor. Er trug eine hellrote Tunika mit schwarzen Stickereien und eine bunt gestreifte Hose. Der Byzantiner stieß, dem Tonfall nach zu urteilen, einen ganzen Schwall von Verwünschungen aus und wies mit seinem Speer auf den weiten Platz.
    Heinrich zuckte mit den Schultern und machte sich davon. Wenn er Wache am Milion gewesen wäre, hätte ein Fremder, der vier Abende hintereinander vor dem Kuppelbau hockte, wahrscheinlich auch sein Misstrauen erweckt. Die Franken, wie man sie hier überall nannte, standen im Ruf, Barbaren und Diebe zu sein. Stand so einer Abend für Abend vor einem mehr als zwei Mann hohen Meilenstein, der ganz mit Goldplatten verkleidet war, dann mochte das Argwohn erwecken. Vom Milion aus waren die Entfernungen zu allen Städten des byzantinischen Kaiserreichs gemessen worden. Die Namen der Städte und die Wegstrecken waren in die Goldplatten eingraviert. Eigentlich kein schlechter Platz, um sich zu treffen, dachte Heinrich verzweifelt. Wenn nur der Mann, auf den er wartete, nicht ausgerechnet angewiesen worden wäre, einen blauen Umhang als Erkennungszeichen zu tragen!

     
    Ludwig streckte sich auf der Steinbank vor der bunt bemalten Schenke. Wenn das der Himmel war, sollte er vielleicht doch die Hölle vorziehen. Es war einfach zu erschöpfend. Hier gab es alles, was er sich je in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hatte. Frauen mit dem Gesicht der heiligen Jungfrau waren Hafendirnen. Man fand Köstlichkeiten aus allen Ländern der Welt. Süßes Obst aus Damaskus, Wein von den Ägäischen Inseln, Fleisch aus den Weiten einer Steppe, die irgendwo im Osten lag. Wer hier einmal gewesen war, dem mussten alle Genüsse, die ihn zu Hause erwarteten, zu Asche werden! Aber alles haben zu können, jedenfalls solange man eine wohlgefüllte Börse hatte, konnte einen um die letzten Kräfte bringen!
    Ludwig klimperte ein paar Akkorde auf seiner Laute. Während der langen Überfahrt hatte er reichlich Gelegenheit gefunden, sein Spiel zu verbessern. Leise summte er ein Lied, das er einmal für seine Stiefschwester gedichtet hatte. Sie hatte es nie zu hören bekommen. Der Ritter winkte und bestellte noch einen Krug mit Wein.
    »Was ist nur los mit dir, Staufer? Du machst ja ein Gesicht, als hätte man dir faule Heringe zu fressen gegeben!« Orlando klopfte ihm aufmunternd auf die Schenkel. »Komm, ich zeig dir ein paar Mädchen, die dich auf andere Gedanken bringen werden.« Der venezianische Steuermann war in den letzten Tagen kaum von seiner Seite gewichen. Er hatte ihn in die verrufensten Viertel der Stadt geführt und war ein guter Zechkumpan gewesen. Was Ludwig ihm aber am höchsten anrechnete, war die Tatsache, dass Orlando kaum versucht hatte, ihn auszunehmen. Der Venezianer war mehr als einen Kopf kleiner als Ludwig. Sein schwarzes Haar war nie ganz ordentlich gekämmt, und sein zahnlückiges
Lächeln wirkte auf den ersten Blick eher erschreckend als einladend. Wenn man den schmächtigen Kerl so sah, hätte man niemals geahnt, mit welcher Sicherheit er sein schwerfälliges Schiff durch jeden Sturm steuerte.
    »Nun, wie sieht’s aus mit dir?« Orlando schenkte ihm sein berüchtigtes Lächeln.
    »Ich glaube, heute nicht.« Ludwig strich noch einmal lustlos über die Saiten.
    »Ich habe da ein paar Geschichten über eine einbeinige Hure gehört … Ich wette, die würde dich auf andere Gedanken bringen.«
    »Nein, ich glaube …« Das Geräusch genagelter Sohlen auf dem Straßenpflaster ließ Ludwig aufblicken. Eine schwarze Sänfte, von vier Sklaven getragen, schwankte die Straße herauf. Geistesabwesend glitten die Finger des Ritters weiter über die Saiten. Die Sänftenträger waren muskulöse, dunkelhäutige Gestalten. Ludwig bewunderte die vergoldeten Schnitzereien der Sänfte. Sie musste ein Vermögen wert sein. Blutrote Vorhänge flatterten sanft im Abendwind, der vom

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