Königin der Engel
»Keine Kommunikation«, sagte Legar leise.
»Bitte sagen Sie mir, warum nicht«, hakte Mary nach. Der Gedanke, mit Soulavier oder einem anderen Mitglied dieser Polizeitruppe irgendwohin zu gehen, machte ihr Angst. Wenn sie als eine Art politisches Faustpfand benutzt werden sollte, wollte sie genau über ihre Lage Bescheid wissen.
»Das weiß ich nicht«, sagte Legar. »Wir haben Anweisung bekommen, Sie gut zu behandeln, auf Sie aufzupassen und Ihren Aufenthalt angenehm zu gestalten. Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen.«
»Ich werde gegen meinen Willen hier festgehalten«, entgegnete Mary. »Wenn ich eine politische Gefangene bin, dann sagen Sie es mir jetzt. Ein schlichtes Gebot der Höflichkeit… unter Polizisten.«
Legar schob seinen Stuhl zurück und stand auf. Er rollte den mittleren Knopf seines Hemdes zwischen zwei Fingern, wobei er den Knopf und die Finger nachdenklich betrachtete. »Sie können Sie hinausbringen«, sagte er. »Das hat doch keinen Sinn.«
Soulavier berührte ihre Schulter. Sie schlug seine Hand weg, funkelte ihn an und stand auf. Halte deine Wut unter Kontrolle, aber zeige sie. »Ich möchte mit John Yardley sprechen.«
»Er weiß nicht einmal, daß Sie hier sind, Mademoiselle«, sagte Soulavier. Legar nickte.
»Bitte gehen Sie«, sagte der Generalinspektor.
»Er weiß, daß ich hier bin«, sagte Mary. »Meine Vorgesetzten mußten seine Genehmigung einholen, daß ich hierherkommen durfte. Wenn er es nicht weiß, ist er ein Dummkopf, oder er wird von seinen Leuten getäuscht.«
Legar schob das Kinn vor. »Niemand täuscht Colonel Sir.«
»Und er ist garantiert kein Dummkopf«, fügte Soulavier hastig hinzu. »Bitte, Mademoiselle.« Soulavier versuchte, sie am Ellbogen zu fassen. Sie schlug seine Hand erneut weg und warf ihm einen Blick zu, der sehr streng war, wie sie hoffte, ohne hysterisch zu wirken.
»Wenn das die hispaniolanische Gastfreundschaft ist, dann wird sie stark überschätzt«, sagte sie. Ein harter Schlag gegen die Tyrannei. Sie werden tief verletzt sein.
»Schaffen Sie sie jetzt hier raus«, sagte Legar. Diesmal war Soulavier nicht sanft. Er packte sie fest an beiden Armen, zog sie mit verblüffender Kraft hoch und trug sie wie ein Stück Frachtgut auf einem Gabelstapler aus den Büros und auf den Flur hinaus. Mary wehrte sich nicht; sie schloß einfach nur die Augen und ertrug die Demütigung. Sie hatte die Linie schon weit genug überschritten; Soulavier war nicht brutal, sondern nur zweckorientiert.
Er setzte sie rasch auf dem Fliesenboden ab und zog ein Taschentuch heraus, um sich die Stirn abzuwischen. Dann ging er noch einmal zurück, um seinen Zylinder zu holen, den er fallengelassen hatte. Sie gefror jedoch innerlich zu Eis und fragte sich, ob sie es nicht doch sinnvoll finden würden, sie zu töten.
»Bitte verzeihen Sie«, sagte Soulavier, als er durch die Doppeltür herauskam. Er stand auf Damballas Kopf und wischte seinen Hut ab. »Sie haben sich nicht gut benommen. Der Generalinspektor ist böse… er wird manchmal böse. Er ist ein sehr wichtiger Mann. Ich bin sehr ungern in seiner Nähe, wenn er böse ist.«
Mary ging rasch den Flur entlang, durch den Eingang und zur Limousine, wo sie einen Moment lang stehenblieb, um wieder zu sich zu finden. »Bringen Sie mich dorthin, wo ich von nun an bleiben soll«, sagte sie.
»Auf dieser Insel gibt es schöne Orte, die man besuchen könnte«, schlug Soulavier vor.
»Ich flunze auf die schönen Orte. Bringen Sie mich dorthin, wo ich unter Hausarrest gestellt werden soll, und lassen Sie mich allein.«
Eine Stunde allein. Das war es, was sie brauchte. Sie würde einiges ausprobieren, würde die Stangen dieses Käfigs testen und herausfinden, wie tüchtig die Leute, die sie gefangenhielten, eigentlich waren.
Soulavier saß ihr in der Limousine gegenüber und brütete vor sich hin. Mary sah zu, wie die graubraune, institutionelle Architektur der wiederaufgebauten Innenstadt in einer monotonen Prozession vorbeizog: Banken, Kaufhäuser, ein Museum und eine Galerie für naive haitianische Kunst. Keine Touristen auf den Straßen. Keine Straßenhändler. Sie kamen an einer weiteren Patrouille von Militärfahrzeugen vorbei, dann an einer langen Kolonne parkender Panzer. Soulavier beugte sich vor und verrenkte sich den Hals, um sich die Panzer genauer anzusehen.
»Sie sollten mehr Geduld haben«, sagte er. »Sie sollten wissen, daß dies keine gute Zeit ist. Seien Sie vorsichtig.« Sein Ton hatte sich
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