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Königin der Engel

Königin der Engel

Titel: Königin der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Greg Bear
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weißt du.
    Keine Tränen.
    »Sie hieß Dione. Ich war ein Bürobreitarsch bei Workers Inc.«
    »Ja.«
    »Wir hatten eine Tochter.« Er schluckte erneut. »Gina. Sie war süß.«
    »Du hast beide sehr geliebt«, legte ihm Nadine in den Mund. Er machte ein finsteres Gesicht, dann lachte er in sich hinein. Selbst in ihrer Hilfsbereitschaft war sie aufdringlich; sie wußte nicht, wo sie aufhören mußte. Er sah, daß sie sich ein unzulängliches Bild von ihm gemacht hatte, und das war die Geschichte von Nadines Leben; sie wußte, daß sie außerstande war, ihn oder sonstwen zu verstehen. Ihr Bildgeber war kaputt.
    »Ja«, sagte er. »Das stimmt. Aber ich wollte schreiben, und mir wurde klar, daß ich das nicht tun konnte, solange ich ein Bürobreitarsch war. Also sprach ich davon, damit Schluß zu machen.« Er beobachtete sie. Sie schnappte nach dem Köder. Bald würde er sie packen. Die Beichte war gar nicht so schlecht; sie bewirkte, daß sie ihre Deckung vernachlässigte. Die Stimme des anderen sprach weiter.
    »Das hat ihr Sorgen gemacht«, kam es von Nadine.
    »Ja. Das hat ihr Sorgen gemacht. Sie hielt nichts von Dichtung. Oder vom Schreiben. Sie stand total auf Vid. Es wurde immer schlimmer.«
    »Ja.«
    »Viel schlimmer. Gina stand zwischen uns. Ich hatte das Gefühl, als ob es mich zerreißen würde. Schließlich mußte ich weggehen.«
    »Ja.«
    »Wir warteten ein Jahr. Ich versuchte zu schreiben.
    Dione machte zwei Jobs gleichzeitig. Keiner von uns war therapiert, aber das hatte damals nicht so viel zu bedeuten. Ich habe nie etwas weggeschickt, um es zu veröffentlichen. Ich ging bei einer anderen Firma arbeiten. Kopieren und Redigieren von Zeitungstexten. Dione sagte, sie wollte mich zurückhaben. Ich sagte, ich wollte sie. Aber wir konnten nicht mehr zueinanderfinden. Immer war irgendwas. Jedesmal.«
    »Ja.«
    »Die Scheidung war beinahe endgültig. Gina nahm es sehr schwer. Dione wollte sie in Therapie schicken. Ich sagte nein. Ich sagte, laß sie sie selbst sein, laß sie selbst damit klarkommen. Dione sagte Gina war sieben Dione sagte Gina würde viel über den Tod reden. Ich sagte ja aber sie ist zu jung um irgendwas drüber zu wissen, es ist Neugier, laß gut sein. Sie wird älter werden.«
    »Ja.«
    Er konnte einfach die Hand ausstrecken, einen Arm packen und sie umdrehen. + Wie macht man das mit bloßen Händen. Ohne Werkzeug.
    + Wäre eine gute Idee jetzt zu weinen.
    »Ich höre dir zu«, drängte Nadine.
    »Die Scheidung. Zwei Wochen, dann würde sie durch sein. Formloses Verfahren, kein Erscheinen vor Gericht, alle Besitztümer bereits aufgeteilt.«
    »So hab ich’s auch gemacht«, sagte Nadine.
    »Sie brachte mir Gina fürs Wochenende. Das haben wir so gemacht. Wir wollten ihr nicht weh tun.«
    Nadine sagte nichts, um ihn zu ermutigen. Trotz ihrer Unsensibilität spürte sie, daß etwas Unangenehmes kam.
    »Es gab Schwierigkeiten auf der Leitstraße. Ein Bus. Ihr Bus. Ein kleines Erdbeben im Tal hatte Leitstraßengitter unterbrochen. Sie fuhren in eine Stützmauer, und sieben Wagen krachten in sie rein. Gina starb. Dione auch, zwei Tage später.«
    Nadines Augen wurden größer. Sie sah aus, als ob sie Fieber hätte. »Mein Gott«, sagte sie atemlos.
    + Sie sieht’s richtig vor sich. Macht ihr Spaß die Finger reinzustecken und den Humus zu kneten.
    »Ich hab’s allein geschafft. Hab keine Therapie gemacht. Bin wie ein Zombie rumgelaufen. Ich glaubte, daß ich Dione wirklich geliebt hatte. Mit sowas Endgültigem hatte ich nicht gerechnet. Gina kam und sprach mit mir, bevor ich schlafen ging. Ich hatte wirklich abgehoben. Ich ging nicht zur Therapie, weil ich das Gefühl hatte, das würde sie entehren, Gina und Dione. Ich baute einen kleinen Schrein für sie und zündete Weihrauch an. Ich schrieb Gedichte und verbrannte sie.
    Nach ein paar Monaten arbeitete ich wieder eine Weile. Ich hatte Goldsmith schon vorher kennengelernt. Langsam ging’s wieder aufwärts mit mir. Raus aus diesem Sumpf. Er half mir. Er hat mir erzählt, daß er seinen Vater gesehen hätte, als er noch klein war, seinen toten Vater. Er erklärte mir, daß ich nicht drauf und dran war, verrückt zu werden.«
    Nadine schüttelte langsam den Kopf. »Richard, Richard«, sagte sie. Das obligatorische Mitgefühl.
    Sein Kopf war übervoll. Da war sein gegenwärtiges Selbst und so etwas wie Goldsmith, dann dieser alte Richard Fettle mit all seinen Erinnerungen im Gefolge. Die Überfülle weckte in ihm den Wunsch, sich in einem

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